Der Dorfpfarrer (German Edition)
wäre, würde Véronique sich einen Gatten haben aussuchen können; doch vielleicht hätte sie sich dann selber getäuscht! Graslin hielt man für maßlos verliebt. Es kamen Tapezierer aus Paris, die das schöne Haus einrichteten. Man redete in Limoges nur von des Bankiers Verschwendung: man bezifferte den Wert der Kronleuchter, sprach von den Vergoldungen im Salon, den Formen der Stutzuhren; man beschrieb die Blumentischchen, die bequemen Lehnstühle, die Luxusgegenstände, die Neuheiten. Im Garten des Hotels Graslin gab es über einem Eiskeller ein wunderbares Vogelhaus, und jeder war überrascht, darin seltene Vögel zu sehen, Papageien, chinesische Fasanen, unbekannte Enten; denn man sah sie sich an.
Monsieur und Madame Grossetête, alte, in Limoges angesehene Leute, machten in Graslins Begleitung mehrere Besuche bei den Sauviat. Madame Grossetête, eine respektable Frau, beglückwünschte Véronique zu ihrer glücklichen Heirat. So wurde die Kirche, die Familie, die Welt, alles bis auf die geringsten Dinge mitschuldig an dieser Heirat. Im Monat April wurden die offiziellen Einladungen bei allen Bekannten Graslins abgegeben. An einem schönen Tage hielten um elf Uhr vor dem bescheidenen Laden des Alteisenhändlers zur größten Aufregung des Viertels eine Kalesche und ein Kupee, vor die englisch aufgeschirrte, ausgewählte limousiner Pferde vom alten Grossetête gespannt waren, und brachten die ehemaligen Herren des Bräutigams und seine beiden Gehilfen.
Die Straße war voller Leute, die herbeigelaufen waren, um Sauviats Tochter zu sehen, welcher der geschickteste Friseur von Limoges den Brautkranz auf ihre schönen Haare gesetzt und einen Schleier aus den kostbarsten englischen Spitzen übergebreitet hatte. Véronique war einfach in weißen Mousselin gekleidet. Eine ziemlich imposante Gesellschaft der vornehmsten Damen der Stadt erwartete das Brautpaar in der Kathedrale, wo der Bischof, welcher der Sauviat Frömmigkeit kannte, Véronique zu trauen geruhte. Allgemein wurde die Braut häßlich gefunden. Sie trat in ihr Hotel ein und ging dort von Ueberraschung zu Ueberraschung. Ein Prunkdiner sollte dem Balle vorhergehen, zu dem Graslin fast ganz Limoges eingeladen hatte. Das für den Bischof, den Präfekten, den Gerichtspräsidenten, den Oberstaatsanwalt, den Bürgermeister, den General, Graslins ehemalige Chefs und ihre Frauen veranstaltete Diner wurde ein Triumph für die Jungvermählte, die gleich allen einfachen und natürlichen Personen unerwartete Anmut entfaltete. Keines der Jungverheirateten konnte tanzen, Véronique fuhr daher fort, die Honneurs bei sich zu machen und erwarb sich die Schätzung, die Gewogenheit der Mehrzahl der Personen, mit denen sie Bekanntschaft machte, indem sie bei Grossetête, der eine gute Freundschaft zu ihr faßte, Erkundigungen über jeden einzog. Sie beging daher keinen Fehler. An diesem Abend verrieten die beiden alten Bankiers die Höhe des für Limousin unermeßlichen Vermögens, das der alte Sauviat seiner Tochter mitgab. Es wurde in der ganzen Stadt erzählt, daß Madame Graslin häßlich, aber wohlgebaut sei.
Um neun Uhr war der Alteisenhändler nach Hause zum Schlafen gegangen und ließ seine Frau beim Nachtlager der Neuvermählten präsidieren!
Der alte Sauviat gab sein Geschäft auf und verkaufte dann sein Haus an die Stadt. Am linken Ufer der Vienne kaufte er ein Landhaus, das zwischen Limoges und dem Gluzeau, zehn Minuten von der Vorstadt Saint-Martial entfernt lag, wo er in Ruhe sein Leben mit seiner Frau beschließen wollte. Die beiden alten Leute hatten ein Zimmer im Hotel Graslin und aßen zwei- oder dreimal wöchentlich bei ihrer Tochter zu Mittag, welche ihr Haus oft als Ziel ihrer Promenade nahm. Untätigkeit würde den alten Alteisenhändler unfehlbar getötet haben. Glücklicherweise fand Graslin Mittel, seinen Schwiegervater zu beschäftigen. 1823 sah der Bankier sich genötigt, auf seine Rechnung eine Porzellanmanufaktur zu übernehmen, deren Besitzern er große Summen vorgeschossen hatte und die sie ihm nur dadurch zurückzahlen konnten, daß sie ihm ihre Unternehmen verkauften. Durch seine Verbindungen und indem er Kapitalien hineinsteckte, machte Graslin die Fabrik zu einer der ersten in Limoges; drei Jahre später verkaufte er sie dann wieder mit großem Nutzen. Die Beaufsichtigung dieses großen Unternehmens, das zufällig in der Vorstadt Saint-Martial lag, übertrug er also seinem Schwiegervater, der trotz seiner zweiundsiebzig Jahre viel zum
Weitere Kostenlose Bücher