Der Dorfpfarrer (German Edition)
Gedeihen dieses Geschäftes beitrug und sich dabei verjüngte. Graslin konnte dann seine Stadtgeschäfte betreiben und brauchte sich nicht um eine Manufaktur kümmern, die ihn ohne die leidenschaftliche Unternehmungslust des alten Sauviat vielleicht gezwungen haben würde, einen seiner Gehilfen als Teilhaber zu nehmen und einen Teil des Verdienstes, den er dabei fand, indem er zugleich seine engagierten Kapitalien rettete, zu verlieren. Sauviat starb im Jahre 1827 an einem Unfall. Als er das Inventar der Fabrik aufnahm, fiel er in eine Charasse, eine Art Keller mit leichtvergitterter Oeffnung, wo die Porzellane eingepackt werden, zog sich eine leichte Beinverletzung zu und pflegte sie nicht. Der Brand trat hinzu, er wollte sich das Bein durchaus nicht abnehmen lassen und starb. Die Witwe ließ die annähernd zweimalhundertfünfzigtausend Franken, die Sauviats Nachlaß bildeten, fahren, indem sie sich mit einer Rente von monatlich zweihundert Franken zufrieden gab, die ihr für ihre Bedürfnisse vollauf genügte, und die ihr ihr Schwiegersohn zu zahlen versprach. Ihr kleines Landhaus behielt sie, wo sie allein und ohne Magd lebte, ohne daß ihre Tochter sie von diesem Entschluß, bei dem sie mit der alten Leuten eigenen Hartnäckigkeit beharrte, abbringen konnte. Mutter Sauviat besuchte übrigens fast alle Tage ihre Tochter, wie auch ihre Tochter fortfuhr, als Ziel ihres Spazierganges das Landhaus zu wählen, von wo aus man sich eines reizenden Blicks auf die Vienne erfreute. Von da aus sah man jene von Véronique so heiß geliebte Insel, die ehemals ihre Île-de-France gewesen war.
Um nicht durch diese Nebenumstände die Geschichte der Graslinschen Ehe zu stören, muß man die der Sauviat zu Ende bringen, indem man diesen, für die Erklärung des verborgenen Lebens, welches Madame Graslin führte, nützlichen Ereignissen vorgreift.
Als die alte Mutter gesehen hatte, wie sehr Graslins Geiz ihrer Tochter beschwerlich werden konnte, hatte sie sich lange Zeit geweigert, auf ihren Vermögensrest zu verzichten; Véronique aber, in ihrer Unfähigkeit, einen einzigen jener Fälle vorherzusehen, wo Frauen den Genuß ihres Vermögens wünschen, bestand mit Gründen voller Edelmut darauf; sie wollte Graslin damit danken, ihr ihre Jungmädchenfreiheit wiedergegeben zu haben.
Der ungewöhnliche Glanz, der Graslins Heirat begleitete, hatte alle seine Gewohnheiten verletzt und seinem Charakter widersprochen. Der große Finanzmann hatte einen sehr engen Verstand. Véronique hatte den Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen sollte, nicht beurteilen können. Bei seinen fünfundfünfzig Besuchen hatte Graslin stets nur den Kaufmann, den beharrlichen Arbeiter sehen lassen, der Unternehmen ersann, erriet, erhielt, die öffentlichen Angelegenheiten analysierte, indem er sie jedesmal mit Börsenmaßen maß. Von der Million des Schwiegervaters fasziniert, zeigte der Emporkömmling sich aus Berechnung freigebig; doch wenn er die Dinge im großen betrieb, wurde er durch den Ehefrühling und durch das, was er sein Steckenpferd nannte, fortgerissen, durch jenes noch heute Hotel Graslin heißende Haus. Nachdem er sich einmal Pferde, eine Kalesche, ein Kupee geleistet hatte, benutzte er sie natürlich auch, um seine Hochzeitsbesuche zu machen, um zu jenen Diners und Bällen zu fahren, die man Hochzeitsnachfeiern nennt, welche die Spitzen der Behörden und die reichen Häuser dem jungen Ehepaar gaben. In der Bewegung, die ihn über seine Sphäre hinwegführte, richtete Graslin einen Empfangstag ein und ließ einen Koch aus Paris kommen. Ein Jahr über machte er den Aufwand, welchen ein Mann machen mußte, der sechzehnhunderttausend Franken besaß und über drei Millionen verfügen konnte, wenn er die ihm anvertrauten Gelder mitrechnete. Damals war er die markanteste Persönlichkeit Limoges'. Während dieses Jahres steckte er noblerweise jeden Monat fünfundzwanzig Zwanzigfrankstücke in Madame Graslins Börse. Die vornehme Welt gab sich viel mit Véronique ab im Anfange ihrer Ehe; sie war ja ein unverhoffter Glücksfall für die Neugierde, der es in der Provinz fast immer an Nahrung fehlt. Veronique wurde um so viel mehr studiert, als sie in der Gesellschaft wie ein wahres Wunder erschien; sie verharrte aber in der einfachen und bescheidenen Haltung einer Person, welche die Sitten, Gebräuche und unbekannten Dinge beobachtet, indem sie sich nach ihnen zu richten wünscht. Bereits als häßlich, aber wohlgebaut ausgegeben, wurde sie dann für
Weitere Kostenlose Bücher