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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aufnehmen wollte. Nach seiner Beratung mit dem Bankier kam Vater Sauviat froh zum Mittagessen in das Zimmer seiner Tochter und sagte zu seinen beiden Frauen:
    »Véronique wird Madame Graslin werden!«
    »Madame Graslin!« rief Mutter Sauviat ganz verdutzt.
    »Ist's möglich?« sagte Véronique, der Graslins Person unbekannt war, auf deren Einbildungskraft er aber wirkte, wie ein Rothschild auf die einer Pariser Grisette.
    »Ja, es ist abgemacht,« sagte der alte Sauviat feierlich. »Graslin soll sein Haus prachtvoll möblieren; er soll für unsere Tochter den schönsten Wagen aus Paris und die schönsten Pferde Limousins haben; er soll für sie einen Landsitz zu fünfmalhunderttausend Franken kaufen und ihr sein Hotel verschreiben. Kurz, Veronique wird die Erste in Limoges, die Reichste im Bezirk und wird aus Graslin machen, was sie will!«
    Ihre Erziehung, ihre religiösen Gedanken, ihre grenzenlose Liebe zu ihrem Vater und ihrer Mutter, ihre Unwissenheit hinderten Veronique, einen einzigen Einwand zu erheben; sie dachte nicht einmal daran, daß man ohne sie über sie verfügt habe. Am folgenden Morgen reiste Sauviat nach Paris und war etwa eine Woche über abwesend.
    Pierre Graslin war, wie ihr euch denken könnt, kein Schwätzer, er ging schlecht und recht aufs Ziel los. Eine beschlossene Sache war eine abgemachte Sache. Im Jahre 1822 schlug wie ein Blitzstrahl eine merkwürdige Neuigkeit in Limoges ein: das Hotel Graslin wurde prunkvoll möbliert, Rollwagen, die aus Paris kamen, folgten tagtäglich aufeinander und wurden auf dem Hofe ausgepackt. Gerüchte über die Schönheit, den guten Geschmack eines modernen oder der Mode entsprechend antiken Hausrates durchliefen die Stadt. Die Firma Odiot schickte kostbares Silberzeug mit der Briefpost. Endlich kamen drei Wagen: eine Kalesche, ein Kupee und ein Kabriolett, wie Kostbarkeiten in Stroh verpackt, an.
    »Monsieur Graslin verheiratet sich!«
    Diese Worte wurden aus allen Mündern an einem einzigen Tage in den Salons der oberen Gesellschaft, in den Haushalten, in den Läden, in den Vorstädten und bald in ganz Limousin gesprochen. Mit wem aber verheiratet er sich? Niemand konnte Antwort geben. Es gab ein Geheimnis für Limoges.
    Bei Sauviats Rückkehr fand Graslins erster nächtlicher Besuch um neuneinhalb Uhr abends statt. Veronique war vorbereitet worden und saß in ihrem blauseidenen Gewand mit einem Brusttuch bekleidet da, über das ein Leinenkragen mit breitem Saum fiel. Ihr gescheiteltes, in breiten glatten Streifen herabfallendes Haar wurde hinten am Kopf in einem griechischen Knoten zusammengehalten, das war ihre ganze Frisur. Sie nahm einen gestickten Stuhl bei ihrer Mutter ein, die im Kaminwinkel auf einem großen Sessel mit geschnitzter Rückwand saß, der mit rotem Sammet bezogen war, einem Ueberbleibsel aus einem alten Schlosse. Ein tüchtiges Feuer brannte im Herd. Auf dem Kamin, zu beiden Seiten einer antiken Uhr, deren Wert dem Sauviat sicher nicht bekannt war, beleuchteten sechs Kerzen in zwei alten Kupferarmen, die eine Ranke vorstellten, sowohl das braune Zimmer als auch Veronique in ihrem ganzen Jugendreize. Die alte Mutter hatte ihr bestes Kleid angezogen. Im Schweigen der Straße, zu dieser schweigenden Stunde, in den sanften Finsternissen der alten Treppe erschien Graslin vor der bescheidenen und naiven Veronique, die sich noch den milden Ideen hingab, welche Bernardin de Saint-Pierres Buch sie von der Liebe hatte fassen lassen. Graslin hatte einen dichten schwarzen Haarschopf wie ein Flederwisch, der sein Gesicht kräftig hervorhob, das rot, wie das eines ausgepichten Trunkenbolds, und mit beißenden Pusteln übersät war, die bluteten oder vorm Aufbrechen standen. Ohne weder Lepra noch Flechte zu sein, schienen diese Früchte eines durch ständige Arbeit, durch das Hin und Her und die wilde Leidenschaft des Handels, durch Nüchternheit, vernünftiges Leben und Nachtwachen erhitzten Blutes diesen beiden Krankheiten zu ähneln. Trotz der Ratschläge seiner Gesellschafter, seiner Gehilfen und seines Arztes hatte der Bankier sich nie zu den medizinischen Vorsichtsmaßregeln zu zwingen gewußt, welche die anfangs leichte Krankheit, die von Tag zu Tag schlimmer wurde, schließlich gelindert haben würden.
    Er wollte geheilt werden, nahm einige Tage über Bäder, trank verordnete Getränke; doch durch den Gang seiner Geschäfte fortgerissen, vergaß er die Sorge für seine Person. Er gedachte seine Tätigkeit einige Tage hintanzusetzen, zu

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