Der Dorfpfarrer (German Edition)
meisten späteren, war auch diese erste Unternehmung trefflich ausgedacht und wäre ohne Zweifel geglückt, wie sie und die folgenden in den Händen anderer wirklich glückten, hätte er nur das Wichtigste dazu mitgebracht: den Einsatz, den es zu verdoppeln und verdreifachen galt. Diesmal handelte es sich um eine jener Volksausgaben der französischen Klassiker, welche, damals noch unbekannt, seitdem so sehr vervielfältigt worden sind. Die Spekulation mißlang; er vermochte sich keine Publizität zu verschaffen, verkaufte keine zwanzig Exemplare und sah sich genötigt, um nur die Lagerkosten nicht bestreiten zu müssen, die ganze Auflage – es war ein Moliére und ein Lafontaine – als Makulatur zu veräußern. Der Buchhändler, der sie ihm abnahm, ward reich bei dem Geschäft. So trat er denn, anstatt mit dem erhofften Vorschuß und Rückhalt, seine zweite literarische Karriere mit Schulden an. Diesen zu begegnen wollte er nun, wie einst Richardson, als Buchdrucker ein Vermögen machen: der Freund und Gläubiger, der ihm das Geld zu seinem buchhändlerischen Unternehmen vorgeschossen, half ihm auch diesmal wieder, vielleicht in der Hoffnung, sein erstes Kapital wiederzuerlangen, indem er den Vater Balzacs zur Hergabe der Summe beredete. Ein Druckerpatent kostete 15000 Franken unter Karl X., der Associé verstand das Handwerk trefflich, war aber so wenig Geschäftsmann als Balzac selber; die jungen Leute übernahmen Arbeit für zahlungsunfähige Kunden; schon in Verlegenheit, glaubten sie durch vorteilhaften Ankauf einer Letterngießerei sich aus der Schlinge zu ziehen, die sie sich, wie vorauszusetzen gewesen war, nur noch enger um die Kehle schnürten. Umsonst halfen Balzacs Eltern wieder und wieder; umsonst suchte der Sohn jetzt die Druckerei loszuwerden, bis er endlich dieselbe um einen Spottpreis losschlagen mußte, der nicht hinreichte, die noch geschuldete Ankaufssumme der Gießerei, geschweige denn die früheren und die neu kontrahierten Schulden zu zahlen. Da nahm seine Mutter, der er schon soviel schuldete, alles übrige auf sich, indem sie den Rest ihres Vermögens opferte, wogegen er sich verpflichtete, ihr eine hinreichende jährliche Pension zu zahlen. Der einzige Gewinn, den er von seinem Wagnis einheimste, war die Bekanntschaft mit gewissen industriellen Verhältnissen: die Schilderung der Druckerei Davids in den »Illusions perdues« danken wir diesen Versuchen, wie wir die »Interdiction« seinen früheren Notariatserfahrungen, den »César Birotteau« aber den Erlebnissen danken, welche acht Jahre später den armen Balzac durch alle quälenden Vorstadien einer unvermeidlichen Faillite führten.
Balzac war achtundzwanzig Jahre alt, tief verschuldet, allein auf seine Feder angewiesen, als Schriftsteller unbeachtet, oder schlimmer als das, ungeachtet, als er gegen Ende der Restauration seine eigentlich künstlerische Tätigkeit begann. Das große Werk schwebte ihm von Anfang an als ein Ganzes vor, wie wir es aus seiner Korrespondenz erfahren, während man bis zu deren Veröffentlichung geneigt war anzunehmen, er habe erst später mit einem gemeinsamen Titel System und Plan in die Gesamtheit seiner Romane zu bringen gesucht. Die »Comédie humaine« sollte das ganze französische Leben des 19. Jahrhunderts schildern, das politische wie das militärische, das bureaukratische wie das literarische und künstlerische, das industrielle wie das kommerzielle, den Richterstand und die Geistlichkeit, die Aristokratie, das Bürgertum, das niedere Volk, die Provinz wie die Hauptstadt, die gesellschaftlichen Verwicklungen und Leidenschaften, wie die geheimen Gedanken der Zeit. Soviel der Aesthetiker daran auszusetzen haben mag, der Philosoph, der Geschichtsforscher, der Soziolog, wie man heute zu sagen pflegt, müssen zugeben, daß die Aufgabe vollständig gelöst, daß vielleicht keine Zeit, kein Land nach einer besseren Quelle studiert werden kann, als Frankreich unter Louis Philipp, und daß kein Schriftsteller dieses Jahrhunderts die menschlichen Leidenschaften und das menschliche Verhängnis, welches in diesen Leidenschaften besteht, tiefer ergründet, vollständiger geschildert hat, als er. Neben Balzac stand bei Beginn dieses Werkes, als seine Muse und Trösterin, eine Frau (Mme. de Berny), die wir nur nach ihrem Einfluß auf den Schriftsteller kennen, die aber durch ihren sicheren Geschmack, ihre Aufrichtigkeit, ihr lebhaftes Interesse für die Literatur, vor allem ihre aufopfernde Freundschaft für
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