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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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Straßenrand, wo auf einem Sockel eine übergroße Figur thronte, Kwama Nkrumah. »Unser Gründerpatriarch«, rief der Anwalt und eilte zu einem fliegenden Händler, der im Schattenwurf des Denkmals PET-Flaschen und Büchsen anbot. Ich musste an einen andern Patriarchen denken, den alten Bellini, den Rosa einmal als sympathischen Schweinehund bezeichnet hatte. So hätte ich auch Akonnor charakterisiert. Trotz seiner Heuchelei mochte ich ihn. Erlag ich etwa seiner Eloquenz? Sah ich ihm seine Dreistigkeit nach, weil er mich amüsierte? Wie konnte ich einen, der mit allen Wassern gewaschen war, wie konnte ich so einen Menschen trotzdem sympathisch finden? Nicht zum ersten Mal, aber erstmals mit Schärfe kamen mir Zweifel, ob ich das Wesen der Menschen überhaupt begriffen hatte. Vielleicht waren sie zwar um Orientierung bemühte Geschöpfe, aber ausgeliefert einem Kompass, dessen Nadel nach Belieben die Richtung wechselte. Doch schon hatte ich den Faden verloren, weil direkt neben dem Wagenfenster ein Knirps von sieben, acht Jahren begonnen hatte, mit einem faustgroßen Stein auf den Boden einzudreschen. Er hockte auf seinen Fersen, die Knie blutig geschürft, neben einer grau verschmierten Tafel. Was sollte das? Gerade wollte ich die Wagentür aufstoßen, um besser sehen zu können, als Akonnor zurückkam. Der Junge schaute auf und strahlte erst ihn, dann mich an. Er war schon wieder am Hämmern, als Akonnor sich auf den Sitz schob und zwei Dosen in die Halterung der Konsole steckte. Kühl waren sie bestimmt nicht.
    »Ich hoffe, Mr Bellini verzeiht mir, dass ich ihm lauwarmes Bier mitbringe. Aber in seiner jetzigen Residenz wäre gekühltes Bier fast ein Kulturschock«, lachte Akonnor und fuhr an. Im Rückspiegel sah ich den kleinen hämmernden Jungen.
    »Warum schlägt er mit dem Stein auf den Boden?«, fragte ich.
    »Wer? Der Junge? Das tun die alle hier. Sie klopfen verbrauchte Batterien auf, um ans Pulver zu kommen. Hatte er nicht auch eine Tafel dabei? Mit dem Zeugs aus den Batterien schwärzen sie irgendein Holzbrettchen und schon haben sie ihre Schultafeln.«
    »Aber das ist doch voller Schwermetalle, pures Gift«, entsetzte ich mich.
    »Fänden Sie es besser, die Kids wären ohne Schreibtafeln?« Und dank leichtgängiger Servolenkung gelang es ihm, einem Lieferwagen auszuweichen, der unerwartet die Spur gewechselt hatte.
    Dass Aldo bloß in Gewahrsam war, erwies sich als Untertreibung. Der einzige Lichtblick in der Düsternis des Kellerganges, der zu den Zellen führte, war das aufblitzende Gebiss eines Sergeants, der in akzentfreiem Englisch brüllte: » Visit for number eight, open the door .« Weiter vorn erhob sich schemenhaft eine Gestalt. Riegel klackten. Dann stand ich, den Anwalt hinter mir wissend, in der Öffnung. Etwas Licht aus einer Art Schießscharte hoch an der Decke fiel auf Aldo, der am Boden saß. Er trug Handschellen. Mein Auftauchen überrumpelte ihn dermaßen, dass ihm die Tränen kamen. Mühsam stemmte er sich hoch und streckte mir fast unterwürfig die Hände entgegen. Über meine Schultern rief der Anwalt: » A nice surprise, isn’t it, Mr Bellini? «
    Diese Sekunden gehörten zu den peinigendsten meines Menschenlebens. Zudem schlug mir aus der Zelle übler Geruch entgegen.
    »Du!«, kam von Aldo, der es nur fertigbrachte, diese einzige Silbe zu stottern. Ich umarmte ihn. Mir schien, dass der Anwalt dem Sergeant etwas in die Hand drückte; jedenfalls verzogen sich die beiden Wärter.
    »Der Marokkaner?«, fragte Aldo.
    Aziz Akonnor übernahm sofort die Regie. Er griff sich aus seiner Mappe ein paar Papiere, kauerte sich auf den Boden und lud uns mit stilvoller Handbewegung ein, es ihm gleichzutun. Und schon war er bei seinem Plan. Die Zeugen, die sich getäuscht hatten. Der Richter, der die Gerechtigkeit mit den Interessen Ghanas in Einklang bringen würde. Aldos Hochachtung gegenüber den Kulturgütern des Landes. Ein Fax, dessen Rückdatierung noch in Arbeit war und das bewies, dass Mr A. B. ausdrücklich auf höchste Sicherheit bestanden hatte. Akonnors griffiges Programm umfasste zehn Punkte. »Von den biblischen Geboten gibt es ja auch deren zehn«, lachte er, nachdem er alles nochmals durchgegangen und jedes der Gebote mit einer Millionensumme bewertet hatte. Das Strafgeld für die drei Masken war inzwischen schon etwas höher geworden.
    Aldo sah erschöpft und abgemagert aus, obwohl er erst fünf Tage einsaß. Auf den Vortrag des Anwalts reagierte er abwechselnd mit willfährigem

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