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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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begriffsstutzig und lag deshalb etwas wie Spott um seine Augen? Erwartete er Anteilnahme? Oder war ich für ihn nichts als ein abgestumpfter Obruni ? »Sind Sie schockiert?«
    »In welchem Zusammenhang stehen diese Aufnahmen mit der Verhaftung von Herrn Bellini?«
    Akonnor schob wortlos die Fotos in den Umschlag, inspizierte ausgiebig seine Nagelränder, um schließlich die Mappe zuzuklappen. Als er zu reden begann, wurde mir klar, dass er sich seine Sätze äußerst sorgfältig zurechtgelegt hatte.
    »Juristisch gesehen ist er nicht in Haft. Man hat ihn sozusagen nur ›in Gewahrsam‹ genommen. Morgen oder übermorgen wird das Gericht über seinen definitiven Status entscheiden. Deshalb sind Sie ja hier. Weil mein Mandant, Mr Bellini, selbstverständlich in keinem Zusammenhang mit diesen Bildern steht. Daran darf kein Zweifel bestehen. Apropos: Verstehen Sie etwas von Textildruck? Wenn nicht, stellt sich die Frage, wie weit ich Sie überhaupt ins Bild setzen soll. Ich nehme an, dass wir mit gewissen Spesen rechnen müssen. Sind Sie darauf vorbereitet?«
    Ich war auf gar nichts vorbereitet. Hatte mich nur als Geldüberbringer gesehen. Eine wirkliche Schuld von Aldo hatte ich überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Die Fotos hatten meine Arglosigkeit ins Wanken gebracht.
    »Nun?«
    Ich haspelte mich durch meine Sätze: »Es ist, wie Sie vermuten. Gewisse Mittel habe ich dabei. Ich verstehe auch nichts von Textilien. Ich kam, um meinen Freund zu unterstützen. Ging von einem Missverständnis aus. Ich habe keine Ahnung, was geschehen ist. Wissen Sie es denn?«
    Er holte tief Atem und sagte dann: »Wenn Sie Textilien bedrucken, brauchen Sie Maschinen. Diese Maschinen haben perforierte Zylinder. Mit diesen, eigentlich sind es zylindrische Netze, bringen sie die Farbe auf den Stoff. Also nehmen wir mal einen Stoff mit, sagen wir, zwölf verschiedenen Farben. Jede Farbe darf natürlich nur genau an den Stellen aufgetragen werden, wo es vorgesehen ist. So, wie es sich der Herr Dessinateur ausgedacht hat. Also brauchen Sie für zwölf Farben zwölf Zylinder. Jeder dieser Zylinder bekommt nun eine Folie appliziert. Auf der ist eingebrannt, welche Stellen keine Farbe bekommen dürfen. Nun läuft so ein Stoff also Tausende Meter lang an exakt zwölf Zylindern vorbei und wird immer schöner. Dann ist Schluss. Ganz wörtlich, denn nun müssen Sie die Zylinder wegwerfen. Warum? Weil daran die Folie klebt, die nur für dieses eine Design gemacht ist. Leider kostet so ein Zylinder im Durchschnitt 150 Dollar. Wegwerfen ist also dumm und kostspielig. Denn der Zylinder wäre ja eigentlich noch zu verwenden. Wenn da bloß nicht diese anhängliche Folie wäre.«
    Er legte eine Pause ein, um die Spannung zu erhöhen. Schließlich sprach er eine Spur leiser weiter:
    »Gibt es dafür denn keine Lösung, fragen Sie sich. Doch, gibt es! Man kann die Folie von den Zylindern entfernen und auf diese Weise viel Geld sparen. Anschließend wird der Zylinder dann einfach mit der nächsten Folie für den nächsten Druck bezogen. Zwölf recycelte Zylinder entsprechen einer Ersparnis von 1800 Dollar. Macht bei hundert bedruckten Stoffen 180 000 Dollar. Natürlich abzüglich der Lohnkosten fürs Abkratzen oder Wegätzen. Das allerdings ist aufwendig und gefährlich. Weshalb man bei euch in Europa lieber darauf verzichtet.«
    Die Fotos! Die Kinder! Das war der Zusammenhang. Er sprach weiter. Nicht alles nahm ich mehr auf. Ich begriff aber, dass die Aufbereitung der Zylinder nicht in Aldos Fabrik stattgefunden hatte, sondern in kleinen Klitschen am Stadtrand. Die Kinder trugen dabei keine Schutzkleidung, keine Maske vorm Gesicht, nicht einmal Handschuhe, nichts. Der Anwalt zupfte mit spitzen Fingern, als sei ihm die Berührung zuwider, ein Blatt aus der Mappe, um es mit hochgezogenen Augenbrauen zu studieren. Das war natürlich Theater. Er kannte es längst.
    Er schob mir das Papier zu. Ich las. Ein Antrag nebst Kostenvoranschlag: 40 Overalls, 40 Paar Handschuhe, 40 Schutzbrillen, 1640 Dollar. Handschriftlich hatte jemand am unteren Blattrand vermerkt: Not accepted by Mr A. B. Man konnte das nur als Ablehnung der Anschaffung durch Mr Aldo Bellini verstehen.
    »Wessen Handschrift ist das?«, fragte ich.
    »Berechtigte Frage«, sagte Akonnor. »Ich will es mal so zu erklären versuchen: Es handelt sich um Herrn Bellinis Bevollmächtigten in Ghana. Er ist in eine finanzielle Schieflage geraten, weil er gemeint hat, seiner jungen Frau einen Lebensstandard

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