Der Drache aus dem blauen Ei
wie Spione und spitzten die Ohren.
„Na, das war ja eine richtige Standpauke“, sagte Papa leise zu Mama.
„Allerdings“, meinte Mama. „Aber er ist immerhin weggelaufen. Dabei ist er jetzt schon alt genug, um zu wissen, dass ihn keiner sehen darf. Außerdem gehört er zu unserer Familie. Deshalb muss er genau wie die anderen Kinder lernen, dass es im Hause Lukas Regeln gibt. Wir haben ihn lange genug verwöhnt.“ Und ganz besorgt fügte sie hinzu: „Stell dir vor, Frau Heck-Schaube hätte ihn in ihrem Garten entdeckt!“
„Das wäre ein Unglück“, bestätigte Papa. „Aber zumindest wissen wir jetzt, dass kleine Drachen im Winter Milch trinken und im Frühling Blumen verspeisen.“
Mama seufzte. „Und was sollen wir jetzt machen? Wir können ihm doch nicht jeden Tag Tulpen zum Verputzen kaufen. Dabei werden wir ja arm.“
Die ganzen Schulstunden über grübelte Anja darüber nach. Auf dem Nachhauseweg pflückte sie so viele Gänseblümchen, wie sie finden konnte. Aber sicher waren sie für Lavundel nur ein kleiner Happs.
Mama hatte zum Mittagessen Blumenkohl gemacht. Vielleicht hoffte sie, dass Lavundel davon etwas essen würde. Denn im Namen des Gemüses kam das Wort „Blume“ vor. Aber darauf fiel Lavundel nicht herein. Lustlos kaute er auf Anjas Gänseblümchen herum und meinte nur weinerlich: „Andere Blumen schmecken besser.“ Dann verzog er sich in seine Schlafhöhle.
Während Mama, Anja und Alexander ratlos in ihrem Blumenkohl herumstocherten, kletterte Baby-Bo plötzlich von seinem Stuhl und sauste in die Küche.
Die Kühlschranktür ging auf und wieder zu. Dann kam Bo mit einem riesigen Salatkopf zurück. Er setzte sich in aller Ruhe wieder hin. Dann machte er den Mund weit auf und biss hinein. Genüsslich kaute er auf den Blättern herum.
„Was soll das denn?“, fragte Mama. „Du magst doch gar keinen Salat.“
„Ich esse ab jetzt auch nur noch Blumen“, erklärte Bo.
Alexander lachte. „Da haben wir den Tulpensalat“, spottete er. „Jetzt macht der Froschkopf dem Drachen alles nach. Aber das ist doch gar keine Blume, du Dummel!“
„Doch“, sagte Bo entschieden. „Eine große grüne Rose.“
Anja und Mama starrten den Salatkopf an. Er sah tatsächlich genauso aus wie eine grüne Rose.
„Du bist genial, Bo!“ Anja sprang auf und umarmte ihren völlig verblüfften Bruder. „Was für eine tolle Idee. Lavundel wird Salat fressen. Wir müssen ihm nur sagen, dass er eine leckere Riesenblume ist.“
Mama lachte und strich Bo liebevoll über den Kopf. „Gut gemacht, schlauer Drache Bo“, sagte sie anerkennend. Bo begann voller Stolz zu strahlen. Er schien sogar ein ganzes Stück größer zu werden.
„Ich weiß nicht so recht“, meinte Alexander zweifelnd. „Wir haben doch schon mal ausprobiert, ob Lavundel Salatblätter mag. Da hat er sie auch nicht gefressen.“
„Ja, weil er nur die Blätter gesehen hat“, erklärte Anja. „Aber wenn der Salat wie eine Blume duften würde …“
„Das können wir schnell machen.“ Mama sprang auf und rannte hinauf ins Badezimmer. Gleich darauf kam sie mit ein paar Fläschchen zurück.
„Hier“, sagte sie und zog ein Fläschchen mit rosafarbenem Wasser hervor. „Wir versuchen es damit. Das ist Rosenduft.“
Sie sprühte den Salat von allen Seiten ein. Er roch richtig blumig. Gemeinsam gingen sie damit zu Lavundels Höhle.
„Lavundel, Mittagessen!“, flötete Mama freundlich. „Schau mal, die schönste Rose von allen. Die schmeckt viel besser als meine Tulpen, wetten?“
Lavundel kletterte aus seiner Schale. Er hopste zum Salatkopf und schnupperte daran.
„Hm“, meinte er misstrauisch. „Du ist aber grun.“
„Klar, das ist ja auch eine Glücksrose“, erklärte Anja. „Die Gärtner nennen sie Rosa salatea . Deshalb ist sie grün. So wie du. Probier doch einfach mal.“
„Schmeckt lecker“, kam Bo ihr eifrig zu Hilfe. „Viel besser als Gummibärchen.“
Zum Beweis zupfte er ein duftendes, grünes Blatt ab und stopfte es sich in den Mund.
Lavundel sah ihm eine Weile beim Kauen zu. Dann zupfte er ebenfalls ein Stückchen ab und kostete ganz vorsichtig. Er zupfte ein weiteres Blatt ab und schlang es herunter. Und schließlich, beim dritten Blatt, war der Bann gebrochen.
„Lecker!“, schrie Lavundel und sprang mitten auf den Salatkopf.
„Huch!“, rief Mama und brachte sich vor den fliegenden Salatblättern in Sicherheit. Schon nach wenigen Augenblicken war nur noch ein winziger Strunk übrig.
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