Der Drache aus dem blauen Ei
Lavundel kickte ihn weg. „Uff“, sagte er dann und grinste die Kinder an. „Pappsatt!“
Was ein Drache lernen muss
Baby-Bo war jetzt natürlich der absolute Held. Auch als sein Gesicht eine Woche später nicht mehr grün war. „Du bist und bleibst trotzdem immer unser weiser Ehrendrache“, sagte Papa immer wieder. „Wenn wir wegen Lavundel mal nicht weiterwissen, fragen wir einfach dich.“
Das ganze Haus roch nach Rosen. Denn Lavundel verspeiste nicht weniger als fünf parfümierte Salatköpfe am Tag. Auch Rosenkohl mochte er – vorausgesetzt, er war mit Duftwasser behandelt. Seine Flügel wurden etwas länger, was Mama sofort in ihr Drachentagebuch schrieb. Ansonsten ging das Leben mit Lavundel weiter wie bisher.
„Ich muss auch in die Schule“, sagte er eines Nachmittags. „Eine Druchenschule. Ich muss lernen, was ruchtige Druchen können.“
„Was muss ein richtiger Drache denn können?“, fragte Alexander.
„Flugen“, rief Lavundel. „Und Luft anhulten und Feuer spucken. Kann ich mit euch in die Schule gehen?“
Anja legte ihren Stift beiseite und überlegte. „Bei uns lernst du weder Fliegen noch Feuerspucken“, erklärte sie. „Nur Rechnen und Schreiben. Und Malen und Religion und …“
„Gar kein Flugen?“, fragte der Drache ungläubig.
„Menschen fliegen doch nicht, du Schlaunase“, sagte Alexander. „Höchstens von der Schule, wenn sie zu viele Streiche machen.“
„Vielleicht kann Herr Meisenbeißer uns helfen“, schlug Anja vor. Alexander schnippte mit den Fingern. „Nein, ich habe eine viel bessere Idee.“ Er wandte sich an Lavundel. „Du hast echt ein Riesenglück. Ich bin nämlich zufällig der beste Drachenfluglehrer auf der Welt.“
Anja platzte vor Lachen los. „Pf!“, prustete sie. „Ich lache mich kaputt. Drachenfluglehrer, ja klar! Du bist höchstens der beste Angeber auf der Welt.“
Schon flog Anja ein flatterndes Schulheft um die Ohren. Sie duckte sich, schnappte sich einen Hefter und warf ihn zurück.
„Flugende Sachen!“, rief Lavundel begeistert und machte sofort mit.
„Du kannst ihm das Fliegen nicht beibringen!“, kicherte Anja im Radiergummihagel.
„Kann ich doch“, knurrte Alexander. „Wetten?“
„Abgemacht!“ schrie Anja. „Aber wenn du die Wette verlierst, dann machst du eine Woche lang meine Hausaufgaben.“
Alexander grinste herablassend. „Na gut. Aber wenn ich gewinne, dann putzt du eine Woche lang mein Fahrrad. Und zwar, bis es blitzt.“
Anja überlegte kurz. Alexanders Fahrrad war immer schlammverkrustet. Dann aber nickte sie. Bei dieser Wette war sie bestimmt im Vorteil.
Von diesem Tag an geschahen seltsame Dinge bei Familie Lukas. Alexander schleppte eine Menge Kartons aus dem Werkunterricht mit nach Hause. Darin schepperte und klapperte es. Aus seinem Zimmer kam stundenlang ein Hämmern und ein Surren. An seiner Tür hing ein Schild. In blutroten Buchstaben stand darauf geschrieben:
Lavundel hatte feierlich schwören müssen, niemandem etwas zu verraten. Er war der Einzige, der in Alexanders Zimmer durfte. Anja und Bo pirschten sich immer wieder an die Tür heran und lauschten neugierig. Was sie dort hörten, klang sehr geheimnisvoll.
„Schneller!“, kam es einmal dumpf durch die Tür. Und dann hörte man ein Geräusch, das wie „Frrr“ klang. Schnelles Flügelflattern vielleicht? Ob Lavundel trainierte? Jedenfalls kam er jeden Tag ein bisschen besser gelaunt aus dem Zimmer. Schließlich verkündete er, dass er bald mit den Wolken Fußball spielen werde.
Langsam wurde Anja schon ein bisschen mulmig zumute. Was, wenn sie die Wette verlor und eine ganze Woche für ihren Bruder schuften musste? Daran wollte sie lieber gar nicht denken!
„Das klappt nie“, flüsterte sie Bo zu. „Lavundels Flügel sind noch nicht stark genug. Er kann nicht in die Luft abheben.“
Auch Anjas Eltern waren gespannt, besonders als Alexander unbedingt Mamas alte rote Regenjacke haben wollte. Es war eine ganz dünne Jacke aus feiner, leichter Ballonseide. Wollte er Lavundel verkleiden? Noch seltsamer wurde es, als Alexander Bücher über Vögel aus der Bücherei auslieh. Dann fragte er auch noch nach Nadel und Faden und Schnürsenkeln.
An einem Freitagabend war es so weit. Gerade noch rechtzeitig vor ihrem Nachtausflug mit Lavundel. Alexander trat ins Wohnzimmer. Er trug einen riesigen Rucksack und eine ausgebeulte Jacke. „Heute brauchen wir Fahrräder und Taschenlampen“, verkündete er. „Wir fahren nämlich nicht
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