Der Drache aus dem blauen Ei
wieder ab. So kannst du morgen nicht in den Kindergarten gehen!“
Alle zuckten zusammen, als ein gewaltiges Grollen losrumpelte.
„Keine Angst“, sagte Anja zu Yasemin. „Das ist nur Lavundels Magenknurren.“
„Na los, holt ihm Milch, Mädchen!“, sagte Mama. Sie packte Bo und zog ihn in Richtung Badezimmer.
Lavundel wollte keine Milch. Er rümpfte nur die Nase und flitzte die Treppe hoch ins Badezimmer.
Mama war gerade dabei, Bo in der Wanne abzuschrubben. Der Seifenschaum war zwar ganz grün, aber Bo sah trotzdem nicht viel sauberer aus.
Lavundel machte einen Hechtsprung zu Bo in die Wanne und paddelte zwischen den grünen Schaumbergen herum. „Raus hier, Lavundel!“, schimpfte Mama. „Wir sind doch kein Vergnügungspark.“
„Doch!“, piepste Lavundel und tauchte ab. Jetzt verlor Mama endgültig die Geduld. Sie griff ins Wasser und schnappte sich Lavundel, als er gerade unter Bos Knie hindurchtauchte. Obwohl er zappelte wie ein glitschiger Fisch, hob sie ihn einfach aus der Wanne. Beleidigt zischte er wieder ab ins Wohnzimmer. „Das gilt auch für euch, Mädchen“, sagte Mama. „Steht hier nicht herum und kichert! Der Rest Ostereier muss noch gefärbt werden.“
Anja und Yasemin gingen wieder ins Wohnzimmer. Am Rumpeln von Lavundels Magen konnten sie hören, dass er sich wieder in seine chinesische Höhle zurückgezogen hatte.
„Wo sind denn die blauen Eier?“, fragte Yasemin verwundert. Mama hatte schon drei Stück gefärbt, aber sie waren nicht mehr da. Sie schauten unter dem Tisch nach, aber auch dort fanden sie nichts. „Vielleicht hat Bo sie geklaut?“, fragte Yasemin.
„Nein, dazu hätte er ja gar keine Zeit gehabt“, erwiderte Anja.
In diesem Augenblick ertönte aus der Drachenhöhle ein zartes Stimmchen. Es summte eine fremdartige Melodie, dazu fremdartige Worte. Viel Zischen war dabei. Und viel Gemurmel. Ein bisschen klang es so, als würde jemand ein fröhliches Lied rückwärtssingen. Yasemin und Anja blickten sich an. Dann schlichen sie beide auf Zehenspitzen zu Lavundels Chinahöhle und spähten unter den grünen Seidenschal. Drinnen saß Lavundel in seiner Schale wie in einem Nest. Er war umgeben von blauen Eiern. Er streichelte die Schalen und sang den Eiern leise etwas vor.
„Du singst ja in der Drachensprache“, sagte Yasemin leise.
Lavundel verstummte, sah sie strafend an und machte mahnend: „Pst!“ Dann legte er das Ohr an eine Schale und sagte: „Ein Druchenschlaflied fur die Brudern und Schwestern.“
Anja erinnerte sich: Auch das Ei, aus dem Lavundel geschlüpft war, hatte eine blaue Farbe gehabt. „Oje, er denkt, dass aus den blauen Eiern kleine Drachen schlüpfen“, flüsterte sie Yasemin zu.
Zum Glück ging Yasemins Lachen in Lavundels Magenknurren unter.
„Na, jetzt wären deine Brüder und Schwestern jedenfalls wieder wach“, meinte Yasemin dann zu Lavundel. „Wenn wirklich Drachenbabys drin wären. Sind sie aber nicht.“
Anja stieß ihr mit dem Ellenbogen warnend in die Seite. Man musste Lavundel doch möglichst schonend beibringen, dass er sich leider täuschte.
Er sah Yasemin aus großen Augen an. „Aber su sund doch da drun!“, sagte er und tätschelte eines der Eier.
Wie sollte Anja dem kleinen Drachen nur vorsichtig erklären, dass es nur blau gefärbte Ostereier waren? Bestimmt würde er gleich wieder furchtbar traurig werden.
„Das sind keine Dracheneier“, begann Anja zaghaft. „Sondern Hühnereier. Mama hat sie gestern auf dem Markt gekauft. Wenn also etwas daraus schlüpfen würde, wäre es ein Küken. Allerdings schlüpfen aus diesen Eiern gar keine Küken, die hier sind nur zum Essen da. Und blau sind sie doch nur, weil wir sie angemalt haben. So wie die roten und die grünen Eier auch.“
„Stummt nicht“, beharrte Lavundel. „Su sind ganz warm!“
„Weil sie gekocht wurden“, erklärte Anja. Aber Lavundel sah sie immer noch an, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank. „Das ist doch ein Mörchen“, meinte er.
Anja wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Aber Yasemin griff einfach in die Schale und angelte ein Ei heraus. Ehe Lavundel sichs versah, klopfte sie mit dem Ei auf den Tisch. Es machte „Knacks“. Yasemin pellte blitzschnell die blaue Schale ab und biss in das gekochte Ei. Dann zeigte sie Lavundel den gelben Dotter.
„Guck!“, sagte sie mit vollem Mund. „Kein Drache, kein Küken, nur ein ganz normales Hühnerei. Lecker!“
Lavundel klappte der Kiefer nach unten, dann verfinsterte
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