Der Drache aus dem blauen Ei
„Bei dem Gebell kann ich nichts hören.“
Kaum war Mogli draußen, zückte Herr Meisenbeißer sein Stethoskop. Er steckte es sich in die Ohren und legte die flache Scheibe auf die Brust des Drachen. „Husten!“, sagte er.
„Köchi“, keuchte Lavundel.
„Und jetzt Mund auf und Aaah sagen!“
Lavundel riss das Maul so weit auf, dass man seine spitze Zunge sehen konnte. „Äääh“, sagte er. Sein Rachen glühte feuerrot!
Herr Meisenbeißer nickte und holte aus seiner Tasche eine kleine Flasche hervor. „Du scheinst eine Halsentzündung zu haben. Ich gebe dir einen Löffel von meinem Spezial-Hustensaft, dann wird es dir gleich besser gehen.“
Herr Meisenbeißer träufelte die zähe grüne Soße auf einen Löffel. Es roch nach Pfefferminze. Doch kaum näherte sich der Löffel Lavundels Nase, zeterte er: „Iiieh! Eklig!“
„Du willst doch gesund werden, also Mund auf!“, befahl Herr Meisenbeißer streng.
Zu Anjas Überraschung riss der Drache tatsächlich sein Mäulchen weit auf. Der Löffel war jetzt genau vor seiner Nase.
„Aaah …“, japste Lavundel. „Haaa… haaa…“
„Vorsicht!“, rief Anja.
„…tschiii!“, prustete Lavundel.
„Iiieh!“, kreischten jetzt Anja und Bo und brachten sich in Sicherheit. Nicht, dass das jetzt noch etwas genützt hätte! Lavundel hatte den Hustensaft glatt vom Löffel geniest. Die grünen Tropfen hingen jetzt überall: an der Wand, an Bos Fahrradhelm und an Herrn Meisenbeißers Brille.
„Das ist ja eine schöne Bescherung“, brummte Herr Meisenbeißer.
In diesem Augenblick ertönte im Garten ein ohrenbetäubendes Gebell.
„Das sind doch Mogli und Prinz!“, rief Bo.
Herr Meisenbeißer sprang auf und öffnete das Fenster, um in den Garten zu schauen.
„Weg, du Bestie!“, keifte unten Frau Heck-Schaube.
„Oha!“, sagte Herr Meisenbeißer. „Da muss ich wohl mal nach dem Rechten sehen.“ Schon lief er aus dem Zimmer. Bo folgte ihm.
„Warte hier, Lavundel!“, sagte Anja. „Wir sind gleich wieder da.“
Gemeinsam eilten sie in den Garten. Alexander war schon dort. Der riesige, fiese Prinz und der winzige Mogli bellten sich durch den Gartenzaun hindurch an.
Jetzt kam auch Mama aus ihrem Arbeitszimmer angelaufen. „Was ist denn hier los?“, rief sie.
„Woff!“, donnerte Prinz.
„Wauauau!“, kläffte Mogli selbstbewusst.
Frau Heck-Schaube hielt sich die Ohren zu. „Pfeifen Sie gefälligst Ihren kleinen Giftzwerg zurück“, zeterte sie. „Er bringt meinen armen Prinz ja völlig auf die Palme.“
„Und was ist mit dem armen Mogli?“, mischte sich Alexander ein.
Mitten in dem Gebell gab es eine winzige Atempause, eine Sekunde nur. Da hörte Anja ein leises Geräusch von weit weg: „Haaa…“ Dann schnatterten und bellten alle wieder weiter.
Anja blickte sich zum Haus um und entdeckte Lavundel. Immerhin wusste er inzwischen, dass er sich verstecken musste. Deshalb hatte er sich in den Vorhang eingewickelt. Niemand hätte einen Drachen am Fenster erkannt. Aber Anja sah es natürlich genau.
Vorsichtig lugte er zum Fenster hinaus. Dann klappte sein Mäulchen wieder auf – feuerrot! Lavundel holte immer tiefer Luft … und dann ließ er einen fürchterlichen Nieser los. Zum Glück übertönte ihn das Hundegebell. Nur Anja sah, wie aus dem kleinen roten Drachenrachen ein dünner Feuerstrahl hervorschoss. Er zischte vom Fenster aus quer durch den Garten und traf den Apfelbaum am Gartenzaun.
Mit einem „Fuch-Zisch!“ verbrutzelten die Äpfel, die am Baum hingen. Lavundel schlug die Hände erschrocken vor sein Drachenmaul und tauchte eilig ab. Dann ließ der Duft von Bratäpfeln Mama, Herrn Meisenbeißer, Alexander und sogar die beiden Hunde verstummen.
Nur Frau Heck-Schaube merkte nichts und beschwerte sich weiter. „Eine Unverschämtheit!“, rief sie. „Diese kleine Töle hat Prinz schon einmal erschreckt.“ Die Äste begannen zu qualmen.
„Sie dürfen keine fremden Hunde in ihren Garten lassen, Frau Lukas, und überhaupt …“
Mama hob den Zeigefinger in die Luft, als wollte sie sich in der Schule melden. „Äh, ihr Baum brennt“, sagte sie höflich.
Frau Heck-Schaube glotzte sie verständnislos an. Dann begannen ihre Nasenflügel zu zucken. Sie schnupperte und sah sich endlich um. „Huch!“, rief sie aus. „Das ist ja grässlich! Mein schöner Apfelbaum!“
„Tja, jetzt ist es wohl eher ein Bratapfelbaum“, verbesserte Alexander sie.
Goldgelb und feuerrot
Es dauerte nicht lange, bis die Feuerwehr
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