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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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war, bemerkte Simon, dass er auf die Worte des Fremden hin aufstand. Im Augenblick war es einfach zu anstrengend, nicht zu vertrauen; er hatte nicht mehr die Kraft, wachsam zu bleiben. Ein Teil von ihm hatte nur den einen Wunsch: sich hinzulegen und in Ruhe zu sterben. Er hebelte den Pfeil aus dem Baum. Der kleine Mann war schon vorausmarschiert und im Begriff, den Hügel hinter der Kate hinaufzuklettern. Das kleine Haus hockte so still und ordentlich da, als wäre nichts geschehen.
    »Aber …«, keuchte Simon, als er hinter dem Fremden herrannte, der sich erstaunlich schnell bewegte, »… aber was ist mit der Kate? Ich bin … ich bin so hungrig … und es könnte etwas zu essen darin sein …«
    Der kleine Mann drehte sich auf dem Kamm des Hügels um und schaute auf den mühsam folgenden Jungen hinunter. »Ich bin aufs äußerste bestürzt!«, erklärte er. »Zuerst machst du ihn tot, dann möchtest du seine Vorratskammer ausräumen. Ich fürchte, dass ichmich einem verzweifelten Gesetzlosen angeschlossen habe!« Und ohne ein weiteres Wort setzte er seinen Weg in Richtung einiger eng zusammenstehender Bäume fort.
    Ein langer, sanft abfallender Hang bildete die andere Seite des Kammes. Simons hinkende Schritte brachten ihn endlich an die Seite des Fremden; bald darauf war er wieder zu Atem gekommen.
    »Wer bist du? Und wohin gehen wir?«
    Der sonderbare kleine Mann blickte nicht hoch, sondern ließ die Augen von Baum zu Baum schweifen, als suchte er in der ununterbrochenen Gleichförmigkeit des tiefen Waldes nach einer Landmarke. Nach zwanzig stummen Schritten schlug er die Augen zu Simon auf und lächelte sein gedehntes Lächeln.
    »Mein Name ist Binbineqegabenik«, erklärte er, »aber am Kochfeuer nennt man mich Binabik. Ich hoffe, du wirst mir die Ehre erweisen, die kürzere Form der Freundschaft anzuwenden.«
    »O ja … gewiss. Woher kommst du?« Ein neuer Schluckauf.
    »Ich bin vom Trollvolk aus Yiqanuc«, erwiderte Binabik. »Dem hohen Yiqanuc in den Bergen des Nordens, wo es schneit und weht … und wer bist du?«
    Der Junge blickte einen Augenblick misstrauisch vor sich hin und antwortete dann: »Simon. Simon vom … aus Erchester.«
    Es ging alles so schnell, dachte er … wie eine Begegnung auf dem Marktplatz, und dabei steckten sie nach einer höchst ungewöhnlichen Begegnung samt Totschlag mitten im Wald. Heiliger Usires, tat ihm der Kopf weh! Und der Magen erst.
    »Wohin … wohin gehen wir –?«
    »Zu meinem Lager. Aber zuerst muss ich mein Ross finden … oder besser gesagt, sie muss mich finden. Bitte, erschrick nicht.«
    Mit diesen Worten steckte Binabik zwei Finger in den breiten Mund und pfiff einen langen, trillernden Ton. Gleich darauf wiederholte er ihn. »Vergiss nicht, sei nicht erschreckt oder verängstigt.«
    Ehe er noch über die Worte des Trolls nachdenken konnte, ertönte im Unterholz ein Prasseln wie von einem Waldbrand, und ein riesiger Wolf brach sich Bahn auf die Lichtung. An dem entsetzten Simon vorbei schoss er wie ein zottiger Donnerkeil auf den kleinen Binabik los, der unter dem Angreifer kopfüber zu Boden stürzte.
    »Qantaqa!« Der Ruf des Trolls kam erstickt, aber es lag Erheiterung in seiner Stimme. Ross und Reiter rauften auf dem Waldboden. Simon fragte sich verblüfft, ob wohl die ganze Welt außerhalb der Burg so aussah – war denn ganz Osten Ard nur ein Spielplatz für Ungeheuer und Verrückte?
    Endlich setzte Binabik sich hin, und Qantaqa schmiegte den großen Kopf in seinen Schoß. »Ich habe sie heute den ganzen Tag alleingelassen«, erläuterte er. »Wölfe besitzen viel Zärtlichkeit und fühlen sich leicht einsam.« Qantaqa grinste von Ohr zu Ohr und schnaufte. Ein guter Teil ihres Umfangs bestand zwar aus dickem grauem Pelz, aber auch so war sie von enormer Größe.
    »Fühl dich wie zu Hause bei ihr«, lachte Binabik. »Kraul sie an der Nase.«
    Trotz der wachsenden Unwirklichkeit seiner Situation brachte es Simon doch nicht über sich. Stattdessen fragte er: »Verzeihung … aber sagtest du nicht, du hättest in deinem Lager etwas zu essen, Meister?«
    Der Troll sprang lachend auf und griff wieder zu seinem Stab. »Nicht Meister – Binabik! Und was das Essen angeht: ja. Wir werden zusammen speisen – du, ich, sogar Qantaqa. Komm mit! Aus Achtung für deine Gefühle der Schwäche und des Hungers werde ich gehen und nicht reiten.«
    Eine ganze Weile waren Simon und der Troll unterwegs. Streckenweise begleitete sie Qantaqa, aber meistens trottete sie

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