Der Drachenbeinthron
geworfen zu werden, ließ Simon ein wenig erschauern. Das Sonnenlicht stand schon ein wenig schräger, der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. »Ich nehme an … ich nehme an, wenn man triefend nass ist, lernt man mehr vom Wasser.«
»Mit Genauigkeit!« Binabik war erfreut. »Mit Genauigkeit! Nun siehst du, worauf es mir ankommt.« Der Troll setzte sich wieder in Bewegung.
In Wahrheit hatte Simon seine ursprüngliche Frage inzwischen vergessen, aber das störte ihn wenig. Es war etwas ungemein Bezauberndes an diesem kleinen Mann, eine wohltuende Ernsthaftigkeit unter dem frohen Gemüt. Simon fühlte sich gut aufgehoben in zwar kleinen, aber klugen Händen.
Es war schwer zu übersehen, dass sie sich jetzt in westlicher Richtung bewegten. Während sie so dahinstapften, fielen ihnen die schrägen Sonnenstrahlen fast genau in die Augen. Manchmal fand ein blendender Blitz den Weg durch eine Lücke in den Bäumen, sodass Simon stolperte, weil die Waldluft plötzlich glitzerte und blendete. Er fragte Binabik, weshalb sie nach Westen abgebogen waren.
»Ach ja«, erwiderte der Troll, »wir begeben uns nach dem Knoch. Allerdings kommen wir heute nicht mehr bis dort. Bald werden wir anhalten, um ein kleines Lager aufzuschlagen und zu essen.«
Simon freute sich, das zu hören, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, trotzdem noch eine weitere Frage zu stellen. Schließlich war es ja auch sein Abenteuer. »Was ist der ›Knoch‹?«
»Oh, nichts Gefährliches, Simon. Es ist der Punkt, an dem die südlichen Vorberge des Weldhelm abfallen wie ein Sattel und manbequem den dichten und nicht unbedingt sicheren Wald verlassen und die Weldhelmstraße auf der anderen Seite erreichen kann. Aber wie ich schon sagte, werden wir heute nicht mehr dorthin gelangen. Sehen wir uns lieber nach einem Lagerplatz um.«
Wenige Achtelmeilen weiter fanden sie ein Gelände, das ihnen verheißungsvoll erschien: eine Ansammlung großer Felsen am sanft ansteigenden Ufer eines Waldbaches. Das Wasser plätscherte friedlich über ein Bett runder, taubengrauer Kiesel und strudelte dann geräuschvoll um die ineinander verschlungenen Äste, die in den Bach gefallen waren; schließlich verschwand es ein paar Meter weiter unten im Dickicht. Eine Gruppe von Espen mit grünen Münzen als Blättern raschelte leise im ersten Hauch einer Abendbrise.
Die beiden errichteten rasch einen Feuerkreis aus trockenen Steinen, die sie am Rand des Wasserlaufes gefunden hatten. Qantaqa schien von diesem Plan fasziniert und sprang alle paar Minuten herbei, um zu knurren und ein bisschen nach den Steinen zu schnappen, die sie mühsam zusammentrugen. Wenig später hatte der Troll ein Feuer entfacht, das in den letzten kräftigen Strahlen der schwindenden Nachmittagssonne blass und geisterhaft flackerte.
»Jetzt, Simon«, bemerkte er und schubste die widerwillige Qantaqa mit dem Ellenbogen in eine sitzende Stellung, »ist es Zeit zum Jagen. Wir wollen uns einen passenden Vogel zum Abendbrot suchen, und ich werde dir einige schlaue Listigkeiten beibringen.« Er rieb sich die Hände.
»Aber wie fangen wir die Vögel?« Simon warf einen Blick auf den Weißen Pfeil, den seine verschwitzte Hand immer noch fest umklammerte. »Müssen wir damit nach ihnen werfen?«
Binabik lachte und klatschte sich auf das in Leder gehüllte Knie. »Für einen Küchenjungen hast du einiges an Lustigkeit! Nein, nein, ich sagte doch, ich würde dir schlaue Listigkeiten zeigen. Siehst du, wo ich wohne, gibt es nur eine kurze Jagdzeit für Vögel. Im kalten Winter sind gar keine da, außer den wolkenhoch fliegenden Schneegänsen, die auf ihrer Route zu den Nordöstlichen Einöden unsere Bergheimat überqueren. Aber in einigen der Südländer, die ich bereist habe, jagen und essen die Leute nur Vögel. Dort habe ich eine gewisse Schlauheit gelernt. Ich werde es dir vorführen!«
Binabik ergriff seinen Wanderstab und winkte Simon, ihm zu folgen. Qantaqa sprang auf, aber der Troll wehrte ab.
»Hinik aia, alte Freundin«, befahl er ihr freundlich. Sie zuckte mit den Ohren, und die graue Stirn furchte sich. »Wir erledigen einen heimlichen Auftrag, und deine großen Pfoten werden uns keine Hilfe sein.« Die Wölfin machte kehrt und trollte sich zum Feuer zurück, wo sie sich ausstreckte. »Nicht, dass sie nicht von tödlicher Lautlosigkeit sein könnte«, erklärte der Troll Simon, »aber das tut sie nur, wenn sie es will.«
Sie überschritten den Bach und wateten in das Unterholz hinein. Schon bald
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