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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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befanden sie sich wieder im dichten Wald, und das Geräusch des Wassers hinter ihnen war zu einem leisen Murmeln herabgesunken. Binabik hockte sich hin und lud Simon ein, sich neben ihm niederzulassen.
    »Nun gehen wir an die Arbeit«, meinte der Troll. Mit einer knappen Drehbewegung teilte er den Stab zu Simons Überraschung in zwei Stücke. Das kurze Ende war, wie sich jetzt zeigte, der Griff eines Messers, dessen Klinge in dem ausgehöhlten Teil des längeren Stücks versteckt gewesen war. Der Troll kehrte dieses längere Ende um und schüttelte es. Ein Lederbeutel glitt heraus und fiel auf den Boden. Nun entfernte Binabik ein kleines Stück vom anderen Ende, sodass der längere Teil des Stabes eine hohle Röhre bildete. Simon lachte vor reinem Entzücken.
    »Das ist ja wundervoll!«, rief er. »Wie ein Zauberkunststück.« Binabik nickte weise. »Überraschungen in kleinen Häppchen – das ist das Glaubensbekenntnis der Qanuc, jawohl!« Er nahm das Messer bei seinem runden Knochengriff und stocherte kurz damit in der Röhre herum. Ein zweites Knochenrohr glitt ein Stück heraus, und er half mit den Fingern nach, bis er es ganz draußen hatte. Als er es Simon zur Begutachtung hinhielt, konnte der Junge sehen, dass dieses Rohr auf einer Seite eine Reihe von Löchern aufwies.
    »Eine … Flöte?«
    »Eine Flöte, in der Tat. Was nützt ein Abendessen, auf das keine Musik folgt?« Binabik legte das Instrument beiseite und weitete mit der Messerspitze die Öffnung des Lederbeutels. Auseinandergefaltet gab er einen zusammengepressten Klumpen gekämmterWolle und noch ein weiteres, schmales Röhrchen, nicht länger als ein Finger, preis.
    »Kleiner werden wir und kleiner, hm?« Der Troll drehte das Röhrchen auf, um Simon den Inhalt zu zeigen: winzige, eng aneinandergerückte Nadeln aus Knochen oder Elfenbein. Simon streckte die Hand aus, um einen der zierlichen Splitter zu berühren, aber Binabik zog den Behälter hastig zurück.
    »Bitte, nein«, warnte er. »Sieh nur genau hin!« Mit Daumen und gebogenem Zeigefinger holte er eine der Nadeln heraus und hielt sie ins Licht der sterbenden Nachmittagssonne. Die scharfe Spitze des Dorns war mit einer schwarzen, klebrigen Masse beschmiert.
    »Gift?«, hauchte Simon. Binabik nickte ernst, aber seine Augen verrieten eine gewisse Erregung.
    »Natürlich«, antwortete er. »Sie sind nicht alle so vergiftet – es ist keine Notwendigkeit, um kleine Vögel zu töten, und hat auch die unangenehme Neigung, das Fleisch zu verderben –, aber man kann einen Bären oder andere große, zornige Geschöpfe allein mit solch einem winzigen Dorn zum Halten bringen.« Er ließ die vergiftete Nadel zu den anderen gleiten und suchte sich einen unbefleckten Dorn.
    »Damit hast du einen Bären getötet?«, fragte Simon äußerst beeindruckt.
    »Ja, das habe ich – aber ein weiser Troll hält sich dann nicht in der Nähe auf und wartet, ob der Bär auch wirklich verschieden ist. Das Gift tut seine Arbeit nicht sofort, weißt du. Und sehr groß sind die Bären.«
    Beim Reden hatte Binabik ein Flöckchen von der groben Wolle abgerissen und mit dem Messer die Fasern auseinandergezupft. Seine Finger arbeiteten so schnell und geschickt wie die von Sarrah dem Stubenmädchen beim Nähen. Bevor sich aber zu dieser anheimelnden Erinnerung weitere gesellen konnten, wurde Simons Aufmerksamkeit von neuem gefesselt, als Binabik anfing, die Fäden um die Unterseite des Dorns zu wickeln und so ineinanderzuweben, bis aus dem hinteren Ende des Dorns ein weicher Wollball geworden war. Als er damit fertig war, schob er alles zusammen, Nadel undPfropf, in das eine Ende des hohlen Wanderstabes. Die anderen Nadeln packte er in ihren Beutel zurück, schob ihn in den Gürtel und reichte Simon die übrigen Stücke des zerlegten Stabes.
    »Bitte, trag das«, bat er. »Ich sehe hier nicht viele Vögel, obwohl sie sehr oft gerade um diese Zeit herauskommen, um Kerbtiere zu fressen. Vielleicht werden wir uns aber auch mit einem Eichhörnchen begnügen müssen – nicht, dass sie nicht gut schmeckten«, fügte er eilig hinzu, als sie über einen umgestürzten Baum kletterten, »aber der Jagd auf kleine Vögel wohnt ein gewisser Zauber inne, es ist ein köstliches Erlebnis. Falls der Dorn trifft, wirst du verstehen, was ich meine. Ich glaube, es ist ihr Flug, der mich so ergreift, und wie schnell die kleinen Herzchen klopfen.«
    Später, im Blattgeflüster des Frühlingsabends, als Simon und der kleine Troll träge am Feuer

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