Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
erreicht. Unter ihnen erstreckte sich das endlose Meer der dichtgedrängten Baumwipfel des Aldheorte.
    Aber ich glaube nicht, dass er deshalb nicht weitergeredet hat, dachte Simon. Ich glaube, er war gerade dabei, etwas zu sagen, das er eigentlich nicht aussprechen wollte.
    »Wo hast du gelernt, Sithilieder zu singen, Binabik?«, fragte er, als sie die letzten Schritte nach oben geklettert waren und nun auf dem breiten Rücken des Berges standen.
    »Wir werden darüber reden, Simon«, antwortete der Troll und blickte um sich. »Aber jetzt sieh! Dort geht es hinunter nach Sankt Hoderund!«
    Sie begannen nur knapp einen langen Steinwurf weit unter ihnen, an den Berghang geklammert wie Moos, das auf einem uralten Baum wächst: ineinander verschlungene Reihen und Reihen in regelmäßigen Abständen gepflanzter, sorgfältig gepflegter Weinstöcke. Waagerecht in den Berg gehauene Terrassen, deren Kanten so abgerundet waren, als sei der Boden schon vor langer Zeit so geformt worden, trennten sie voneinander. Zwischen den Weinstöcken verliefen Pfade, die sich genauso verschlungen den Hang hinunterzogen wie die Pflanzen selbst. Unten im Tal, auf der einen Seite von diesem ersten kleinen Vetter der Weldhelmberge geschützt, auf der anderen von der dunklen Begrenzung des Waldes, war ein ganzes Geflecht von Ackerland zu sehen, angeordnet in der säuberlichen Symmetrie einer mit Ornamenten versehenen Handschrift. In einigem Abstand, gerade noch hinter dem Vorsprung des Berges zu erkennen, lagen diekleinen Außengebäude der Abtei, eine roh gezimmerte, aber gut gepflegte Ansammlung hölzerner Schuppen sowie ein leeres eingezäuntes Feld. Ein Tor, der einzige Gegenstand in diesem mächtigen Teppich, der sich bewegte, schwang langsam hin und her.
    »Folge den Pfaden, Simon, und bald werden wir essen und vielleicht auch einen kleinen Schoppen der Klosterlese zu uns nehmen.« Mit schnellen Schritten machte sich Binabik an den Abstieg. Gleich darauf bahnten er und Simon sich ihren Weg durch die Reihen der Rebstöcke, während Qantaqa die langsame Durchquerung des Weinberges durch ihre Gefährten verächtlich betrachtete, um dann einfach den Hang hinunterzuspringen und dabei über die gekräuselten Reben zu setzen, ohne einen einzigen Pfahl zu berühren oder eine Traube unter den großen Pfoten zu zerquetschen.
    Simon eilte den steilen Pfad hinunter und achtete dabei auf seine Füße, denn er fühlte bei jedem langen Schritt, dass ihm die Fersen ein Stückchen wegrutschten. Auf einmal spürte er mehr, als er es sah, dass vor ihm irgendetwas war. Weil er dachte, der Troll sei stehen geblieben, um auf ihn zu warten, blickte er mit sauerer Miene auf und wollte gerade bemerken, dass man mit Menschen, die nicht auf einem Berg groß geworden seien, ein wenig Erbarmen haben sollte, als sein Blick auf eine Alptraumgestalt fiel. Er stieß einen Angstschrei aus, verlor den Halt, stürzte rücklings auf sein Hinterteil und rutschte zwei Armlängen den Pfad hinunter.
    Binabik hörte ihn, fuhr herum und rannte den Berg hinauf, wo er Simon unter einer großen, zerlumpten Vogelscheuche auf der Erde sitzend vorfand. Der kleine Mann betrachtete die Vogelscheuche, die schief von einem dicken Pfahl herunterhing, das rohe, angemalte Gesicht von Wind und Regen fast verwischt, und sah dann auf Simon, der dasaß und an seinen zerschundenen Handflächen sog. Binabik verbiss sich das Lachen, bis er dem Jungen aufgeholfen hatte. Mit seinen kleinen, starken Händen packte er Simons Ellenbogen und stemmte ihn auf die Füße. Dann aber konnte er sich nicht länger beherrschen. Er drehte sich um und setzte den Weg nach unten fort, hinter sich Simon, der erbost die Stirn runzelte, als die kaum unterdrückten Laute der Erheiterung des kleinen Mannes zu ihm heraufdrangen.
    Verbittert klopfte sich Simon den ärgsten Staub von der Hose und sah nach den beiden Päckchen in seinem Gürtel, Pfeil und Manuskript, um sich zu vergewissern, dass keines beschädigt war. Natürlich konnte Binabik nichts von dem am Kreuzweg aufgeknüpften Dieb wissen, aber er war immerhin dabei gewesen, als der Sithi in der Falle des Holzfällers hing. Warum war es dann so lächerlich, dass Simon einen Schreck bekommen hatte?
    Simon kam sich sehr töricht vor, aber als er wieder auf die Vogelscheuche blickte, fühlte er eine zitternde Vorahnung. Er griff nach oben, packte den leeren Sack, der den Kopf bildete – rauh und kühl fühlte er sich an –, faltete ihn zusammen und steckte den oberen

Weitere Kostenlose Bücher