Der Drachenbeinthron
richten. Der Rimmersmann nahm langsam Langrians Hand.
»He … Heng …«, krächzte Langrian. Hengfisk drückte ihm das feuchte Tuch auf die Haut.
»Sprich nicht, Langrian. Ruh dich aus!«
Langrians Augen wanderten langsam von Hengfisk zu Binabik und Simon, dann wieder zurück zu dem Mönch. »Andere …?«, brachte er mühsam hervor.
»Ruh dich jetzt aus. Du musst ruhen!«
»Endlich sind dieser Mann und ich uns in etwas einig.« Binabik lächelte seinen Patienten an. »Du solltest Schlaf haben.«
Langrian schien noch etwas sagen zu wollen, aber bevor er dazu kam, sanken seine Augenlider herunter, als folgten sie dem Rat, und er schlief ein.
Zwei Dinge ereigneten sich an diesem Nachmittag. Das erste, während Simon, der Mönch und der Troll ein karges Mahl einnahmen. Weil Binabik Langrian nicht verlassen wollte, gab es kein frisches Wild; die drei begnügten sich mit getrocknetem Fleisch und dem Ertrag aus Simons und Hengfisks Sammelgängen, Beeren und ein paar grünlichen Nüssen.
Als sie so dasaßen, still vor sich hin kauend und jeder in seine eigenen, höchst unterschiedlichen Gedanken vertieft – Simon war mit dem grausigen Traumrad und den triumphierenden Helden des Schlachtfeldes, Johan und Camaris, beschäftigt –, starb plötzlich Bruder Dochais.
Eben noch hatte er still neben ihnen gesessen, wach, wenn auch nicht essend – die Beeren, die ihm von Simon angeboten worden waren, hatte er verweigert und ihn stattdessen wie ein misstrauisches Tier angestarrt –, und eine Sekunde später rollte er sich zur Seite, das Gesicht nach unten, zuerst unter Zittern, dann in heftigen Zuckungen. Als es den anderen gelang, ihn umzudrehen, hatte er die Augen verdreht, die gespenstisch weiß in seinem staubverschmierten Gesicht standen, und gleich darauf aufgehört zu atmen, obwohlsein Körper steif blieb wie ein Holzstock. So sehr ihn dieser Vorfall auch erschütterte, Simon war sicher, dass er unmittelbar vor dem letzten Aufbäumen gehört hatte, wie Dochais Sturmkönig flüsterte. Das Wort brannte ihm in den Ohren und beschleunigte seinen Herzschlag, obwohl er nicht wusste, wieso – falls er das Wort nicht im Traum gehört hatte. Weder Binabik noch der Mönch sagten etwas dazu, aber Simon war sicher, dass auch sie es vernommen hatten.
Zu Simons Erstaunen weinte Hengfisk bitterlich über dem Leichnam; er selbst fühlte sich auf seltsame Weise fast erleichtert, ein sonderbares Gefühl, das er weder verstehen noch unterdrücken konnte. Binabik war undurchschaubar wie Stein.
Das zweite geschah ein paar Stunden später, als Binabik und Hengfisk sich zankten.
»… Und ich stimme dir zu, dass wir helfen werden, aber du sitzt auf der falschen Felskante, wenn du glaubst, mir Befehle erteilen zu können.« Binabik hielt seinen Zorn streng unter Kontrolle, aber seine Augen hatten sich zu schwarzen Schlitzen verengt.
»Aber du willst nur helfen, Dochais zu beerdigen! Willst du die anderen liegen lassen, den Wölfen zum Fraß?« Hengfisk hatte seinen Zorn nicht im Zaum, und seine Augen traten in seinem rot angelaufenen Gesicht hervor.
»Ich habe versucht, Dochais zu helfen«, erwiderte der Troll. »Es ist mir nicht gelungen. Wir werden ihn begraben, wenn das dein Wunsch ist. Aber es ist nicht meine Absicht, drei Tage damit zuzubringen, alle deine Brüder zu bestatten. Und es gibt Schlimmeres, zu dem sie dienen könnten, als ›Wolfsfraß‹ – und vielleicht haben sie es getan, als sie noch lebten, einige von ihnen!«
Hengfisk brauchte eine Weile, bis er aus Binabiks verschlungener Rede klug wurde, dann aber wurde seine Farbe, wenn das überhaupt möglich war, noch röter.
»Du … heidnisches Ungeheuer! Wie kannst du Übles über unbegrabene Tote sagen, du … Giftzwerg!«
Binabik lächelte, ein flaches, tödliches Lächeln. »Wenn dein Gott sie so liebt, dann hat er ihre … Seelen, ja? … in den Himmel hinaufgenommen, und das Herumliegen hier wird nur ihren sterblichenHüllen schaden.« Bevor ein weiteres Wort fallen konnte, wurden die beiden Kampfhähne durch ein tiefes Grollen Qantaqas aus ihrem Disput aufgeschreckt. Die Wölfin hatte auf der anderen Seite der Feuergrube neben Langrian ein Schläfchen gehalten. Was die Graue erschreckt hatte, wurde gleich darauf deutlich.
Langrian sprach.
»Jemand … jemand muss den Abt … warnen … Verrat!« Die Stimme des Mönches war ein heiseres Flüstern.
»Bruder!«, rief Hengfisk und hinkte eilig zu ihm hinüber. »Spar deine Kraft!«
»Lass ihn reden«,
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