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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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leicht entkommst du mir nicht. Sei zum Abendessen zurück.«
    »Ja, Herrin!« Simon drehte sich um und wollte zu Morgenes rennen, blieb aber noch einmal stehen und wandte sich der Obersten Kammerfrau zu: »Danke, Rachel.«
    Rachel stieß einen angewiderten Laut aus und marschierte zur Speisesaaltreppe zurück. Simon wunderte sich über die vielen Kiefernnadeln, die in ihrem Tuch hingen.Ein sanfter Schneenebel begann aus den tiefhängenden, zinnfarbenen Wolken herabzuschweben. Das Wetter war endgültig umgeschlagen, das wusste Simon: Jetzt würde es bis Kyndelmess ständig kalt sein. Anstatt die Vogelkinder über den zugigen Hof zu tragen, zog er es vor, durch die Kapelle zu huschen und so zur Westseite des inneren Zwingers zu gelangen. Die Morgenandacht war schon lange vorüber, und die Kirche musste eigentlich leer sein. Vielleicht würde Vater Dreosan es nicht sonderlich schätzen, wenn Simon sein Reich durchquerte, aber der gute Vater saß jetzt ganz bestimmt bei Tisch, widmete sich seinem üblichen, umfangreichen zweiten Frühstück und stieß bedrohliche Summtöne über die Qualität der Butter oder die Zusammensetzung des Honig-und-Brot-Puddings aus.
    Simon stieg die zwei Dutzend Stufen zur Seitentür der Kapelle hinauf. Der graue Stein der Türumfassung war mit den nassen Überresten sterbender Schneeflocken besetzt. Die Tür schwang überraschend geräuschlos nach innen.
    Um keine verräterischen nassen Fußabdrücke auf den Steinfliesen der Kapelle zu hinterlassen, schob Simon sich durch die Samtvorhänge an der Rückseite des Vorraumes und kletterte die Stiege zur Chor-Empore hinauf.
    Die vollgestopfte, stickige Empore, im Hochsommer ein dampfender Folterkasten, war jetzt angenehm warm. Der Fußboden war übersät mit dem Abfall der Mönche, Kleinkram: Nussschalen, ein Apfelrest, Stückchen von Schiefertafeln, auf die – ein lässlicher Verstoß wider das Schweigegelübde – Botschaften gekritzelt waren; es sah mehr nach einem Käfig für Affen oder Tanzbären aus als nach einem Raum, in dem Gottesmänner zusammenkamen, um das Lob des Herrn zu singen. Simon lächelte und suchte sich leise einen Weg durch die zahlreichen anderen merkwürdigen Dinge, die da verstreut umherlagen – Ballen schlichten Tuchs, ein paar kleine, wacklige Holzschemel. Es war nett zu wissen, dass diese mürrisch aussehenden Männer mit ihren kahlrasierten Köpfen so widerspenstig sein konnten wie Bauernjungen.
    Aufgeschreckt von dem plötzlichen Geräusch eines Gesprächs, blieb Simon stehen und drückte sich in den Wandvorhang, der den hinteren Teil der Empore abschloss. In das staubige Tuch gepresst,hielt er den Atem an, während sein Herz raste. Wenn Vater Dreosan oder der Küster Barnabas dort unten waren, würde er es nie schaffen, unbemerkt wieder herunter- und zur Hintertür hinauszugelangen. Dann musste er sich dort, wo er hineingekommen war, auch wieder hinausschleichen und doch den Weg über den Hof nehmen – der Meisterspion im feindlichen Lager.
    Mucksmäuschenstill kauerte er hinter dem Vorhang und versuchte angestrengt herauszufinden, woher die Stimmen kamen. Es waren zwei Stimmen, die er zu hören schien. Während er sich konzentrierte, piepten die Vögelchen in seiner Hand ganz leise. Er balancierte das Nest einen Augenblick achtsam in seiner Ellenbogenbeuge und nahm den Hut ab – um so schlimmer für ihn, wenn ihn Vater Dreosan mit Hut in der Kapelle erwischte! Als er die weiche Krempe von oben über das Nest stülpte, verstummten die Vogelkinder, als sei es Nacht geworden. Mit größter Vorsicht teilte Simon die Vorhangränder und steckte den Kopf hindurch. Die Stimmen kamen aus dem Mittelgang vor dem Altar und klangen unverändert; man hatte ihn nicht gehört.
    Nur wenige Fackeln brannten. Das gewaltige Dach der Kapelle lag fast völlig im Schatten, die schimmernden Fenster der Kuppel schienen an einem Nachthimmel zu schweben, Löcher in der Dunkelheit, durch die man die Umrisse der Wolken sehen konnte. Simon, der seine kleinen Findelkinder wohlbehütet unter dem Hut wusste, kroch lautlos zum Emporengeländer. Dort hockte er sich in die schattendunkle Ecke neben der Treppe, die in die eigentliche Kapelle hinunterführte, und steckte das Gesicht zwischen den geschnitzten Säulen der Balustrade hindurch, die eine Wange am Martyrium des heiligen Tunath, während die andere die Geburt der heiligen Pelippa von der Insel streifte.
    »… und du mit deinem gottverfluchten Gejammer«, schimpfte eine der Stimmen. »Ich

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