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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Grimasse des Schmerzes oder der Wut verzerrte seine Züge. Mehrmals atmete Simon ein und aus, bevor Josua endlich den Schal in seinem Hemd verschwinden ließ und seinem Bruder aus der Kapelle folgte.
    Ein längerer Zeitraum verstrich, bevor Simon sich sicher genugfühlte, sein Versteck zu verlassen und sich zur Haupttür der Kapelle zu schleichen. Ihm war, als hätte er ein seltsames Puppenspiel gesehen, ein Usires-Spiel, für ihn allein aufgeführt. Jäh schien die Welt weniger beständig, weniger vertrauenswürdig zu sein, da die Prinzen von Erkynland, die Erben von ganz Osten Ard, einander anbrüllten und sich stritten wie betrunkene Wachsoldaten.
    Als er in die Halle spähte, erschreckte Simon eine plötzliche Bewegung. Eine Gestalt im braunen Lederwams huschte über den Korridor, eine kleine Gestalt, ein Junge, vielleicht so alt wie Simon oder jünger. Ängstlich warf der Fremde einen flüchtigen Blick zurück – und war dann um die Ecke verschwunden. Simon hatte ihn nicht erkannt. Konnte der andere ebenfalls den Prinzen nachspioniert haben? Simon schüttelte den Kopf. Er fühlte sich verwirrt und dumm wie ein Ochse mit Sonnenstich. Er nahm seinen Hut von dem Nest und gab den Vögeln das Tageslicht und ihr zwitscherndes Leben zurück. Wieder schüttelte er den Kopf. Es war ein beunruhigender Morgen gewesen.

4
Grillenkäfig

    orgenes lief in seinem Studierzimmer herum, völlig in die Suche nach einem Buch vertieft. Er signalisierte Simon die Erlaubnis, sich nach einem Käfig für die Jungvögel umzusehen, und setzte dann seine Jagd fort, wobei er Stöße von Manuskripten und Foliobänden umwarf, ein blinder Riese in einer Stadt voller zerbrechlicher Türme.
    Eine Behausung für die Nestlinge zu finden war schwieriger, als Simon erwartet hatte; es gab eine Menge Käfige, aber keiner schien ganz der richtige zu sein. Manche hatten so weit auseinanderstehende Gitterstäbe, dass sie für Schweine oder Bären gemacht zu sein schienen; andere waren schon mit seltsamen Dingen vollgestopft, die überhaupt nicht an Tiere erinnerten. Endlich fand er unter einer Rolle glänzenden Stoffes einen Käfig, der ihm geeignet schien. Er war kniehoch und glockenförmig, aus enggeflochtenen Flussbinsen gefertigt und – bis auf eine Sandschicht am Boden – leer. An der Seite gab es eine kleine, mit einem Stückchen Seil verschlossene Tür. Simon zupfte den Knoten auf und öffnete das Türchen.
    » Halt! Hör sofort auf!«
    »Was?« Simon sprang zurück. Der Doktor hüpfte an ihm vorbei und stieß mit dem Fuß die Käfigtür zu.
    »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, keuchte Morgenes, »aber ich hätte ein bisschen nachdenken sollen, bevor ich dich hier herumgraben ließ. Der da ist für deine Zwecke nicht brauchbar, fürchte ich.«
    »Aber warum nicht?« Simon beugte sich vor und kniff die Augen zusammen, konnte jedoch nichts Besonderes entdecken.
    »Nun, mein kleiner Engerling, bleib einen Moment hier stehenund rühr nichts an, dann will ich es dir zeigen. Töricht von mir, nicht daran gedacht zu haben.« Morgenes schaute sich einen Augenblick suchend um, bis er einen lange nicht mehr beachteten Korb mit Dörrobst fand. Er pustete den Staub von einer Feige und trat an den Käfig.
    »Nun pass genau auf.« Er öffnete die Tür und warf die Frucht hinein. Sie landete im Sand des Käfigbodens.
    »Ja?«, fragte Simon verwirrt.
    »Warte«, flüsterte der Doktor. Kaum war das Wort über seine Lippen, als auch schon etwas passierte. Zuerst schien es, als schimmere im Käfig die Luft; dann sah man deutlich, dass der Sand selber sich bewegte und rund um die Feige einen zarten Strudel erzeugte. Plötzlich – so plötzlich, dass Simon mit überraschtem Ächzen zurücksprang – öffnete sich im Sand ein großer, zahniger Mund und verschluckte die Feige so schnell, wie ein Karpfen den Spiegel eines Teiches durchbricht, um eine Mücke zu schnappen. Ein kurzes Kräuseln im Sand, dann war es im Käfig wieder still und scheinbar friedlich wie zuvor.
    »Was ist unter dem Sand?«, keuchte Simon. Morgenes lachte.
    »Er ist es!« Morgenes schien hochzufrieden. »Das ist das Tierchen selber. Es gibt gar keinen Sand, er ist nur eine Art Maskerade. Alles dort auf dem Käfigboden ist ein einziges, schlaues Tier. Entzückend, nicht wahr?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Simon ohne große Überzeugung. »Woher kommt es?«
    »Nascadu, draußen in den Wüstenländern. Du verstehst jetzt, warum ich nicht wollte, dass du darin herumstocherst

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