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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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muss, was mit deinem und meinem Meister geschehen ist.«
    Simon hatte seine eigenen Fragen längst selber satt, erkundigte sich aber trotzdem: »Und wer ist das?«
    »Ihr Name ist Geloë. Eine weise Frau ist sie, bekannt als Valada – das ist ein Rimmersgard-Wort. Außerdem kann sie uns vielleicht helfen, Naglimund zu erreichen, weil wir von der östlichen Seite des Waldes aus den Weldhelm überqueren müssen und ich diesen Weg nicht kenne.«
    Simon zog seinen Mantel an und hakte die abgeschabte Schnalle unter dem Kinn fest. »Müssen wir heute noch weiter?«, fragte er. »Es ist schon später Nachmittag.«
    »Simon«, sagte Binabik ernst, als Qantaqa mit hängender Zunge herbeigetrabt kam, »bitte glaub mir. Auch wenn es Dinge gibt, die ich dir noch nicht sagen kann, müssen wir wahre Gefährten sein. Ich brauche dein Vertrauen. Es geht hier nicht allein um Elias’ Königtum. Wir haben beide jemanden verloren, an dem wir gehangen haben – einen alten Mann und einen alten Troll, die viel mehrwussten als wir. Sie hatten beide Angst. Bruder Dochais, denke ich, starb vor Angst. Etwas Böses erwacht, und es wäre töricht von uns, noch länger in offenem Gelände zu bleiben.«
    » Was erwacht, Binabik? Welches Böse? Dochais nannte einen Namen – ich habe ihn gehört. Gerade bevor er starb, sagte er –«
    »Du brauchst es nicht –«, wollte Binabik ihn unterbrechen, aber Simon kümmerte sich nicht darum. Er hatte die Andeutungen und Anspielungen nachgerade satt.
    »… Sturmkönig«, schloss er energisch.
    Binabik sah sich hastig um, als erwartete er, dass etwas Furchtbares erschiene. »Ja«, zischte er. »Ich habe es auch gehört, aber ich weiß nicht viel davon.« Hinter dem fernen Horizont ertönte ein Donnergrollen. Der kleine Mann machte ein grimmiges Gesicht. »Der Sturmkönig, das ist im dunklen Norden ein Name voller Grauen, Simon, ein Name aus Legenden, mit denen man den Leuten Angst macht, mit dem man Beschwörungen spricht. Alles, was ich habe, sind kleine Worte, die mir mein Meister manchmal gesagt hat, aber sie reichen aus, um mich vor Sorge krank zu machen.« Er schulterte seinen Rucksack und marschierte in die schlammige Ebene hinaus, auf die plumpe, geduckte Reihe der Berge zu.
    »Dieser Name«, ergänzte er, und seine Stimme klang inmitten solch flacher Leere sinnlos gedämpft, »allein genügt, um Ernten verdorren zu lassen, Fieber und schlechte Träume zu bringen …«
    »… und Regen und schlechtes Wetter?«, fragte Simon und sah zu dem hässlichen, tiefhängenden Himmel auf.
    »Und noch viel mehr«, erwiderte Binabik und berührte mit der Handfläche seine Jacke, gerade über dem Herzen.

24
Die Hunde von Erkynland

    imon träumte, er gehe im Kieferngarten des Hochhorstes spazieren, unmittelbar draußen vor dem Speisesaal. Über den sanft rauschenden Bäumen hing die Steinbrücke, die Saal und Kapelle verband. Obwohl er keine Kälte empfand – eigentlich war er sich seines Körpers überhaupt nicht bewusst, außer, dass er sich irgendwie in ihm fortbewegte –, schwebten ringsum sacht Schneeflocken herab. Die zarten Umrisse der Bäume wurden von einer weißen Decken verwischt, die sich auf die Äste legte, und überall herrschte Stille; der Wind, der Schnee, Simon selbst – alles bewegte sich in einer Welt, in der es weder einen Laut noch eine schnelle Regung zu geben schien.
    Der Wind, den er nicht spürte, wehte jetzt stärker, und die Bäume des geschützten Gartens neigten sich, als Simon vorbeikam, teilten sich wie Wellen am Strand vor einem halb im Sand eingegrabenen Stein. Der Schnee wirbelte, und Simon schritt in die Öffnung hinein, einen von Bäumen gesäumten Korridor aus stiebendem Weiß. Immer weiter ging er, und die Bäume wichen vor ihm zurück wie respektvolle Soldaten.
    Der Garten war doch nie so lang gewesen?
    Plötzlich wurde Simons Blick aufwärtsgezogen. Am Ende des verschneiten Pfades stand eine riesige weiße Säule und ragte weit über seinem Kopf in den dunklen Himmel empor.
    Natürlich, dachte er in der Halblogik seines Traumes, es ist der Engelsturm . Zwar hatte er früher nie direkt vom Garten zum Turmsockel gehen können, aber die Dinge hatten sich eben geändert, seit er fort war …
    Aber wenn es der Turm ist, dachte er und starrte zu dem gewaltigenGebilde empor, warum hat er dann Äste? Es ist nicht der Turm … jedenfalls nicht mehr … es ist ein Baum … ein großer, weißer Baum …
    Mit weit aufgerissenen Augen fuhr Simon in die Höhe. » Was ist ein

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