Der Drachenbeinthron
weiter!«
»Es waren Männer auf dem Gipfel, Soldaten, ich sah es an ihrer Rüstung.« Simon fühlte, wie seine Handflächen sich mit dünnem Schweiß bedeckten. Er rieb sie aneinander. »Einer von ihnen war König Elias. Da bekam ich noch viel mehr Angst, darum versteckte ich mich. Und dann … dann hörte ich ein grässliches, knarrendes Geräusch, und von der anderen Seite des Berges erschien ein schwarzer Wagen.«
Es kam wieder, alles kam wieder … oder wenigstens schien es alles zu sein … aber da waren noch immer leere Schatten. »Diese Blasshäutigen – die Nornen, es waren Nornen – begleiteten ihn, mehrere von ihnen, in schwarzen, langen Gewändern.«
Eine lange Pause, während Simon sich mühsam zu erinnern versuchte. Auf dem Hüttendach trommelte der Regen.
»Und?«, fragte die Valada endlich sanft.
»Elysia, Mutter Gottes!«, fluchte Simon, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich kann mich nicht erinnern! Sie gaben ihm etwas, etwas von dem Wagen. Und es geschah noch etwas anderes, aber in meinem Kopf ist alles wie unter einer Decke begraben! Ich kann die Hand darauf legen, aber nicht sagen, was es ist. Sie haben Elias etwas gegeben. Ich dachte, es wäre ein Traum!« Er vergrub das Gesicht in den Händen, als wollte er die schmerzhaften Gedanken aus seinem schwindligen Kopf pressen.
Binabik klopfte Simon unbeholfen das Knie. »Das beantwortet vielleicht unsere zweite Frage. Auch ich habe nachgedacht, warum die Nornen sich zum Kampf rüsten sollten. Ich fragte mich, ob sie vielleicht Krieg gegen Elias, den Hochkönig, führen wollten, aus uraltem Groll gegen das Menschengeschlecht. Jetzt aber hat es für mich den Anschein, als wollten sie ihm helfen. Irgendein Handel ist abgeschlossen worden. Möglicherweise war es das, was Simon gesehen hat. Aber wie? Wie konnte Elias je einen solchen Pakt mit den geheimnisvollen Nornen schließen?«
»Pryrates.« Sobald Simon es ausgesprochen hatte, war er überzeugt, dass es stimmte. »Morgenes hat gesagt, Pryrates würde Türen öffnen, und Schreckliches käme herein. Pryrates war auch auf dem Berg.«
Valada Geloë nickte. »Das ergibt einen gewissen Sinn. Eine Frage, die beantwortet werden muss, die aber, davon bin ich überzeugt, außerhalb unserer Macht liegt, ist – womit wurde der Handel besiegelt? Was konnten diese beiden, Pryrates und der König, den Nornen für ihre Hilfe anbieten?«
Sie teilten ein langes Schweigen.
»Was stand in dem Buch?«, fragte Simon plötzlich. »Auf der Straße der Träume. Habt ihr das Buch auch gesehen?«
Binabik klopfte sich mit dem Handballen auf die Brust. »Es war da. Die Runen, die ich sah, stammten aus Rimmersgard: Du Svardenvyrd. Das heißt in deiner Sprache ›Der Zauber der Schwerter‹.«
»Oder ›Das Verhängnis der Schwerter‹«, ergänzte Geloë. »Unter den Weisen ist es ein berühmtes Buch, aber seit langer Zeit verschollen. Ich habe es nie gesehen. Es soll von Nisses verfasstworden sein, einem Priester, Ratgeber König Hjeldins des Wahnsinnigen.«
»Der, nach dem der Hjeldinturm benannt ist?«, fragte Simon.
»Ja. Hjeldin und Nisses sind beide dort gestorben.«
Simon dachte nach. »Ich habe auch drei Schwerter gesehen.«
Binabik sah Geloë an. »Nur Gebilde habe ich erblickt«, erklärte der Troll langsam. »Ich denke, es mögen Schwerter gewesen sein.«
Auch die Zauberfrau wusste es nicht genau. Simon beschrieb die Umrisse, so gut er konnte, aber sie hatten weder für Geloë noch für Binabik eine Bedeutung.
»So«, meinte der kleine Mann schließlich, »was haben wir nun auf der Traumstraße erfahren? Dass die Nornen Elias Unterstützung gewähren? Das hatten wir uns bereits gedacht. Dass ein seltsames Buch eine Rolle spielt … vielleicht? Das ist etwas Neues. Wir konnten einen Traumblick auf Sturmspitze und die Hallen der Bergkönigin werfen. Wir haben vielleicht Dinge gesehen, die wir noch nicht verstehen. Aber dennoch, denke ich, hat sich an einem gar nichts geändert: Wir müssen nach Naglimund. Euer Haus, Valada, wird uns eine Weile Schutz bieten, aber wenn Josua am Leben ist, muss er von diesen Dingen erfahren.«
Binabik wurde von unerwarteter Seite unterbrochen. »Simon«, sagte Malachias, »du hast erzählt, jemand hätte auf der Begräbnisstätte nach dir gerufen. Es war meine Stimme, die du gehört hast. Ich war es, die dich rief.«
Simon sperrte den Mund auf. Geloë lächelte.
»Endlich beginnt eines unserer Geheimnisse zu reden! Fahr fort, Kind. Sag ihnen, was du
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