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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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langen, schlanken Gebilden: Schwertern. Das eine hatte einen Griff, der wie ein Usiresbaum geformt war, das zweite einen wie die rechtwinkligen Giebelbalken eines Daches. Das dritte besaß ein seltsames Doppelstichblatt, dessen Kreuzstücke zusammen mit dem Griff eine Art fünfzackigen Stern bildeten. Irgendwo tief in seinem Inneren erkannte Simon dieses Schwert. Irgendwo in einer Erinnerung, schwarz wie die Nacht, tief wie eine Höhle, lag das Bild einer Klinge wie dieser.
    Eines nach dem anderen begannen die Schwerter wieder zu verschwinden, und als sie fort waren, blieb nur noch graues und weißes Nichts.
    Simon fühlte, wie er zurückfiel – fort von dem Berg, fort aus der Brunnenkammer, fort aus dem Traum selbst. Ein Teil von ihm war froh über dieses Fallen, denn ihm graute vor den entsetzlichen, verbotenen Orten, an die sein Geist geflogen war; aber ein anderer Teil wollte nicht loslassen.
    Wo waren die Antworten? Sein ganzes Leben war entwurzelt worden, hatte sich im Lauf eines verdammten, unbarmherzigen, achtlosen Rades verfangen, und tief im ureigensten Teil seines Wesens regte sich ein verzweifelter Zorn. Zwar fürchtete er sich auch, in einem Alptraum gefangen zu sein, der nicht enden wollte; aber was er jetzt empfand, war Zorn; in diesem Augenblick war der Zorn stärker.
    Er wehrte sich gegen den Sog, kämpfte mit Waffen, die er nicht begriff, um den Traum festzuhalten, ihm das Wissen zu entreißen, das er begehrte. Er packte das schnell vergehende Weiß und versuchte wütend, es neu zu formen, in etwas zu verwandeln, das ihmsagen würde, warum Morgenes gestorben, warum Dochais und die Mönche von Sankt Hoderund umgekommen waren, warum das kleine Mädchen Leleth in einer Hütte in der Tiefe des wilden Waldes mit dem Tode rang. Er kämpfte, und er hasste. Wenn ein Funke weinen konnte, dann weinte er.
    Langsam, schmerzhaft langsam formte sich aus der Leere vor ihm von neuem der Eisberg. Wo war die Wahrheit? Während Simons Traum-Ich kämpfte, wuchs der Berg höher, wurde schmaler, begann Äste auszubilden wie ein eisiger Baum, der sich hinauf in den Himmel streckte.
    Dann fielen die Äste ab, und nur noch ein glatter, weißer Turm stand da – ein Turm, den Simon kannte. Flammen loderten von seiner Spitze. Ein gewaltiger, dumpfer Ton dröhnte wie das Läuten einer ungeheuren Glocke. Der Turm schwankte. Wieder grollte die Glocke wie Donner. Es geschah etwas von furchtbarer Wichtigkeit, das wusste er, etwas Grauenhaftes, Geheimes. Er konnte die Antwort fast zum Greifen nah fühlen …
    Kleine Fliege! Du bist zu uns gekommen?
    Ein grässliches, versengendes Nichts griff nach ihm und verschlang ihn, erstickte den Turm und die tönende Glocke. Er fühlte, wie in seinem Traum-Ich der Atem des Lebens verbrannte, als sich eine grenzenlose Kälte um ihn schloss. Er war verloren in der schreiendleeren Leere, ein winziges Fleckchen am Grund eines Meeres unendlicher schwarzer Tiefen, abgeschnitten von Leben, Atem, Gedanken. Alles war verschwunden … außer dem schaurigen, zerstörerischen Hass des Wesens, das ihn gepackt hielt … das ihn zu ersticken suchte.
    Doch dann, nie hätte er es zu hoffen gewagt, war er frei. Er schwebte nach oben, flog in schwindelnder Höhe über die Welt von Osten Ard, festgehalten von den mächtigen Klauen einer großen, grauen Eule, die dahinbrauste wie das Kind des Windes selbst. Hinter ihm verschwand der Eisberg, verschluckt von der Unendlichkeit der knochenweißen Ebene. Unfassbar schnell trug die Eule ihn über Seen und Eis und Berge dahin, auf einen dunklen Strich am Horizont zu. Gerade als er erkannte, was das war, als der Strich zum Wald wurde, merkte er, dass er den Klauen der Eule zu entgleiten drohte.Der Vogel packte ihn fester und sank in pfeifendem Sturzflug der Erde zu. Der Boden sprang ihnen entgegen, und die Eule spreizte weit die Schwingen. Sie flogen flacher, glitten dahin und wirbelten über die Schneefelder der Sicherheit des Waldes zu.
    Und dann waren sie unter dem Dachfirst und in Sicherheit.
    Simon rollte sich auf die Seite und stöhnte. In seinem Kopf hämmerte es wie auf dem Amboss von Ruben dem Bär zur Turnierzeit. Seine Zunge schien zu doppelter Größe angeschwollen. Die Atemluft schmeckte nach Metall. Er richtete sich mühsam auf und bewegte dabei den schweren Kopf nur ganz langsam.
    Gleich neben ihm lag Binabik, das breite Gesicht fahl. Qantaqa stupste den Troll winselnd mit der Nase in die Seite. Auf der anderen Seite der rauchenden Feuerstelle

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