Der Drachenbeinthron
schüttelte der dunkelhaarige Malachias Geloë, deren Mund schlaff herabhing. Ihre Lippen glänzten feucht. Wieder stöhnte Simon; sein Kopf, der ihm zwischen den Schultern hing wie eine zerquetschte Frucht, pochte. Er kroch zu Binabik. Der kleine Mann atmete. Noch während Simon sich über ihn beugte, fing der Troll an zu husten, schnappte nach Luft und schlug die Augen auf.
»Wir …«, keuchte er heiser, »wir … sind … alle … da?«
Simon nickte und sah zu Geloë hinüber, die sich trotz Malachias’ Bemühungen noch immer nicht regte. »Einen Augenblick …«, sagte er und stand langsam auf.
Mit einem kleinen, leeren Topf ging er vorsichtig zur Hüttentür hinaus. Mit leichtem Staunen stellte er fest, dass es trotz der Nebeldecke immer noch mitten am Nachmittag war; die Zeit auf der Traumstraße war ihm viel länger vorgekommen. Außerdem hatte er das nagende Gefühl, dass sich vor der Hütte irgendetwas verändert hatte, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Die Aussicht schien irgendwie verschoben. Er kam zu dem Ergebnis, dass es wohl eine Folge seiner Erlebnisse von vorhin sein müsste. Nachdem er den Topf mit Seewasser gefüllt und sich die klebrige, grüne Paste von den Händen gewaschen hatte, ging er zurück ins Haus.
Binabik trank durstig und bat Simon dann mit einer Geste, Geloë das Gefäß zu bringen. Halb hoffnungsvoll, halb eifersüchtig schauteMalachias zu, wie Simon vorsichtig das Kinn der Zauberfrau mit der Hand festhielt und ihr ein wenig Wasser in den geöffneten Mund spritzte. Sie hustete und schluckte, und Simon gab ihr noch ein wenig mehr Wasser.
Als er so ihren Kopf hielt, wurde Simon jäh bewusst, dass es Geloë war, die ihn, während sie alle in ihren Träumen wandelten, auf irgendeine Weise gerettet hatte. Er sah hinunter auf die Frau, die jetzt regelmäßiger atmete, und erinnerte sich an die graue Eule, die ihn, als sein Traum-Ich schon den letzten Atemzug tun wollte, gepackt und fortgetragen hatte.
Geloë und der Troll hatten eigentlich nicht mit etwas Derartigem gerechnet, das fühlte er; es war Simon, der sie in diese Gefahr gebracht hatte. Aber ausnahmsweise war er über sein Verhalten nicht beschämt. Er hatte getan, was getan werden musste. Schon viel zu lange war er vor dem Rad geflohen.
»Wie geht es ihr?«, fragte Binabik.
»Ich glaube, sie wird sich erholen«, erwiderte Simon und betrachtete die Zauberfrau genau. »Sie hat mich gerettet, nicht wahr?«
Binabik sah ihn an. Sein Haar stand in schweißverklebten Stacheln von der braunen Stirn ab. »Es ist wahrscheinlich, dass sie das getan hat«, meinte er endlich. »Sie ist eine mächtige Verbündete, aber jetzt ist selbst sie fast am Ende ihrer Kräfte.«
»Was bedeutet das alles?«, wollte Simon wissen und überließ Geloë Malachias’ stützendem Arm. »Hast du das Gleiche gesehen wie ich? Den Berg und … die Frau mit der Maske … und das Buch?«
»Ich frage mich sehr, ob wir alle das Gleiche gesehen haben, Simon«, erwiderte Binabik langsam. »Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir warten, bis auch Geloë ihre Gedanken mit uns teilen kann. Vielleicht später, wenn wir gegessen haben. Ich bin erfüllt von schrecklichem Hunger.«
Simon schenkte dem Troll ein wackliges, schiefes Lächeln. Als er sich umdrehte, begegnete er Malachias’ eindringlichem Blick. Der Junge wollte sich schon abwenden, schien dann aber einen Entschluss zu fassen und hielt Simons Blick stand, bis dieser an der Reihe war, sich unbehaglich zu fühlen.
»Es war, als ob das ganze Haus bebte«, sagte Malachiasunvermittelt und erschreckte Simon damit nicht wenig. Die Stimme des Jungen war angestrengt, hoch und heiser.
»Was meinst du?«, fragte Simon, der die Tatsache, dass Malachias überhaupt etwas von sich gab, fast genauso spannend fand wie seine Worte.
»Das ganze Haus. Als ihr drei dagesessen und ins Feuer gestarrt habt, fingen die Wände an … zu zittern. Als ob es jemand hochnähme und wieder hinsetzte.«
»Wahrscheinlich lag es nur daran, wie wir uns bewegten, als wir … ich meine … ach, ich weiß auch nicht.« Simon gab angewidert auf. Die Wahrheit war, dass er langsam gar nichts mehr verstand. Es kam ihm so vor, als hätte jemand mit einem Stock in seinem Gehirn herumgerührt. Malachias wandte sich ab, um Geloë noch etwas Wasser zu geben. Plötzlich begannen Regentropfen auf das Fensterbrett zu klopfen; der graue Himmel konnte die Last des Gewitters nicht länger halten.
Die Zauberfrau machte ein grimmiges
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