Der Drachenbeinthron
Pferd, das sich gegen einen hart geführten Zügel auflehnt.
»Der edle Herr aus Nabban möchte ein Wort hören, wie? Nun gut, ich sage ihm eines. Kampf! Elias hat meines Vaters Blut und Thron beleidigt und die Königliche Hand mit Drohungen und groben Worten zu unserem Taig geschickt wie ein Mann, der Kinder züchtigt. Wir brauchen das Für und Wider nicht mehr abzuwägen – wir sind bereit zum Kampf!«
Verschiedene Männer jubelten den kühnen Worten des Hernystiri zu, aber Simon, der gerade die letzten Tropfen eines weiteren Weinbechers geleert hatte und sich mit leicht getrübtem Blick in der Halle umsah, bemerkte noch mehr Männer, die ein besorgtes Gesicht machten und leise mit ihren Tischnachbarn tuschelten. Neben ihm runzelte Binabik die Stirn, und sein Gesicht spiegelte den Ausdruck wider, der die Züge des Prinzen verdüsterte.
»Hört mich an!«, rief Josua. »Nabban, vertreten durch Leobardis’ Gesandten, hat schroff, aber berechtigt einige Fragen gestellt, die ich beantworten will.« Er starrte Devasalles mit kalten Augen an. »Ich wünsche mir nicht, König zu sein, Baron. Mein Bruder wusste das, aber trotzdem nahm er mich gefangen, tötete ein Dutzend meiner Männer und sperrte mich in seine Verliese ein.« Wieder schwenkte er die Handschelle. »Dafür, das ist wahr, will ich Rache – doch würde Elias gut und gerecht regieren, würde ich diese Rache dem Wohl von Osten Ard und vor allem dem des Erkynlandes opfern. Und was ein solches Übereinkommen betrifft … ichweiß nicht, ob es überhaupt möglich wäre. Elias ist so gefährlich und unberechenbar geworden; manche sagen, er sei zuzeiten wahnsinnig …«
» Wer sagt das?«, fragte Devasalles. »Adlige, die unter seiner harten Hand leiden? Wir reden hier über einen möglichen Krieg, der unsere Völker zerfetzen wird wie morsches Tuch. Schändlich wäre es, entfesselten ihn Gerüchte.«
Josua lehnte sich zurück und rief einen Pagen herbei, dem er eine Botschaft zuflüsterte. Der Junge flog fast aus der Halle.
Jetzt stand ein muskulöser, bärtiger Mann in weißem Pelz und mit Silberketten auf. »Wenn der Baron sich nicht an mich erinnert, will ich seinem Gedächtnis aushelfen«, erklärte er mit sichtlichem Unbehagen. »Ethelferth bin ich, Herr von Tinsett, und ich möchte nur dieses eine sagen: Wenn mein Prinz erklärt, der König habe den Verstand verloren, dann ist sein Wort mir gut genug dafür.« Er legte die Stirn in Falten und setzte sich wieder hin.
Josua erhob sich. Sein schlanker, graugekleideter Körper straffte sich. »Dank Euch, Herr Ethelferth, für Eure guten Worte. Aber«, er blickte sich in der Versammlung um, in der es still wurde und man ihn ansah, »niemand braucht sich in irgendeiner Sache allein auf mein Wort oder das meiner Lehnsleute zu verlassen. Stattdessen bringe ich Euch jemanden, der Elias’ Wesen aus nächster Nähe so gut kennt, dass Ihr ihm, dessen bin ich sicher, Glauben schenken werdet.« Er winkte mit der linken Hand nach der hinteren Tür der Halle, der Tür, durch die der Page kurz zuvor verschwunden war.
Der Junge war zurückgekehrt; hinter ihm im Eingang standen zwei Gestalten. Eine davon war die Herrin Vara. Die andere, im himmelblauen Gewand, schritt an ihr vorbei in den Lichtkegel des Wandleuchters.
»Edle Herren«, sagte Josua, »die Prinzessin Miriamel – Tochter des Hochkönigs.«
Und Simon starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die kurzgeschorenen Strähnen goldener Haare zwischen Schleier und Krone, bar ihrer dunklen Verkleidung … starrte auf das ach so vertraute Gesicht, und alles um ihn herum begann sich zu drehen. Fast wäre er mit den anderen aufgestanden, aber seine Knie waren plötzlich wieWasser und er fiel zurück in den Stuhl. Wie? Warum? Das also war ihr Geheimnis – ihr elendes, verräterisches Geheimnis
»Marya«, murmelte er, und als sie auf dem Stuhl Platz nahm, den Gwythinn ihr räumte, und seine Geste mit einem knappen, anmutigen Kopfnicken quittierte, als alle anderen sich wieder hinsetzten und laut und verwundert durcheinanderredeten – da kam Simon endlich schwankend auf die Beine.
»Du«, sagte er zu Binabik und packte den Kleinen an der Schulter, »hast … es … gewusst?«
Der Troll wollte wohl etwas sagen, verzog dann aber nur das Gesicht und zuckte die Achseln. Simon sah über das Meer von Gesichtern hinweg und begegnete Maryas … Miriamels … Blick. Sie starrte ihn mit großen, traurigen Augen an. »Verflucht!«, fauchte er, fuhr herum und rannte aus
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