Der Drachenbeinthron
Stellung gegeben hat … aber wir können sie dir auch wieder wegnehmen …«
Pryrates konnte Inchs Blick auf sich fühlen, als er ging, konnte die steinerne Persönlichkeit des Aufsehers im rauchigen, flackernden Licht spüren. Wieder fragte er sich, ob es klug gewesen war, den Mann leben zu lassen, und ob er, falls nicht, den Irrtum berichtigen sollte.
Der Priester hatte einen der breiten Treppenabsätze erreicht, von dem Gänge nach rechts und links führten. Vor ihm lag die nächste Stufenreihe. Plötzlich glitt eine dunkle Gestalt aus dem Schatten auf ihn zu.
»Pryrates?«
Der Angesprochene, der gewöhnlich so kontrolliert war, dass er vielleicht nicht einmal aufgeschrien hätte, wenn ihn ein Axthieb träfe, fühlte dennoch sein Herz schneller schlagen.
»Majestät«, erwiderte er ruhig.
Elias hatte sich in unbeabsichtigter Verhöhnung der Gießereiarbeiter in der Tiefe die schwarze Mantelkapuze eng über das Gesicht gezogen. Er tat das neuerdings immer, zumindest wenn er seine Gemächer verließ, so wie er auch zu jeder Zeit das in der Scheide steckende Schwert trug. Die Klinge hatte dem König eine Macht verschafft, wie sie nur wenigen Sterblichen vor ihm zuteil geworden war, aber er hatte einen Preis dafür zahlen müssen. Der rote Priester war klug genug, zu wissen, dass das Abwägen von Für und Wider bei einem solchen Handel eine höchst verzwickte Wissenschaft war.
»Ich … ich kann nicht schlafen, Pryrates.«
»Begreiflich, mein König. Es liegen viele Lasten auf Euren Schultern.«
»Ihr helft mir … bei vielen. Habt Ihr nach den Belagerungsmaschinen gesehen?«
Pryrates nickte, erkannte dann aber, dass Elias es im dunklen Treppenhaus und unter seiner Kapuze vielleicht nicht sehen konnte. »Ja, Herr. Am liebsten würde ich Inch, dieses Schwein von einem Aufseher, an einem seiner eigenen Feuer rösten. Aber wir werden sie bekommen, Herr, so oder so.«
Der König schwieg eine lange Weile und strich über den Griff seines Schwertes. »Naglimund muss vernichtet werden«, sagte er endlich. »Josua widersetzt sich mir.«
»Er ist nicht mehr Euer Bruder, Herr, nur noch Euer Feind.«
»Nein, nein …«, versetzte Elias langsam und sehr nachdenklich. »Er ist mein Bruder. Darum kann ich nicht dulden, dass er mir Widerstand leistet. Das scheint mir offensichtlich. Ist es nicht offensichtlich, Pryrates?«
»Selbstverständlich, Majestät.«
Der König hüllte sich enger in seinen Mantel, wie um sich vor einem kalten Wind zu schützen; doch die aus der Tiefe dringende Luft war schwer von der Hitze der Schmiedefeuer.
»Habt Ihr meine Tochter noch nicht gefunden?«, erkundigte er sich übergangslos und blickte auf.
In der dunklen Kapuze konnte Pryrates schwach den Glanz in seinen Augen und den Umriss seines Gesichtes erkennen.
»Wie ich Euch schon sagte, Herr – wenn sie nicht nach Nabban gegangen ist, zur Familie ihrer Mutter – und unsere Spione glauben nicht, dass das der Fall ist –, dann ist sie bei Josua in Naglimund.«
»Miriamel.« Der gehauchte Name schwebte durch das steinerne Treppenhaus. »Ich muss sie wiederhaben, ich muss!« Der König streckte die offene Hand aus und ballte sie vor sich langsam zur Faust.
»Sie ist die einzige Kostbarkeit, die ich aus den Scherben des Hauses meines Bruders retten werde. – Alles Übrige werde ich zu Staub zertreten.«
»Dazu besitzt Ihr jetzt die Stärke, mein König«, antwortete Pryrates. »Und Ihr habt mächtige Freunde.«
»Ja.« Der Hochkönig nickte langsam. »Ja, das ist wahr. Und was ist mit Ingen Jegger, dem Jäger? Er hat meine Tochter nicht gefunden und ist auch nicht hierher zurückgekehrt. Wo hält er sich auf?«
»Er jagt noch immer den Zauberlehrling, Majestät. Es ist … persönlich geworden.«
Pryrates machte eine Handbewegung, als wollte er die unangenehme Erinnerung an den Schwarzen Rimmersmann verscheuchen.
»Mir scheint, dass man sehr viel Mühe aufwendet, um diesen Jungen zu finden, von dem Ihr sagt, er kenne ein paar unserer Geheimnisse.«
Der König runzelte die Stirn und erklärte barsch: »Ich wünschte mir, man hätte für mein eigenes Fleisch und Blut ebenso viel Sorge getragen. Ich bin nicht glücklich darüber.« Einen Augenblick lang glitzerten die verschatteten Augen zornig. Er wandte sich zum Gehen, blieb jedoch noch einmal stehen.
»Pryrates?« Die Stimme des Königs hatte sich verändert.
»Ja, Gebieter?«
»Meint Ihr, dass ich besser schlafen werde … wenn Naglimund besiegt ist und ich meine Tochter
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