Der Drachenbeinthron
Euch vorlesen, was Morgenes ›Nisses eigene Worte‹ nennt.«
Binabik räusperte sich und begann:
»Das erste Große Schwert kam in seiner ursprünglichen Gestalt vom Himmel herunter, und das ist tausend Jahre her.
Usires Ädon, den wir von der Mutter Kirche Sohn und Fleischwerdung Gottes nennen, hatte drey Tage und Nächte, an Händ und Füßen festgenagelt, am Baume der Hinrichtung hangen, auf dem Platze vor dem Tempel des Gottes Yuvenis zu Nabban. Dieser Yuvenis war aber der Heydengott der Gerechtigkeit, und es war des Imperators Gewohnheit, Verbrecher, die seyn Gerichtshof verurteylt hatte, an den mächtigen Ästen von dieses Yuvenis’ Baum aufzuhenken. So hing dort auch Usires vom See, den man der Gotteslästerung und des Aufruhres schuldig gesprochen, weyl er den Eynzig Gott verkündet hatte; und er hing dort mit den Fersen über dem Kopf gleich dem Kadaver eynes Rindes.
Es geschah aber in dieser neunten Nacht ein gewaltiges Getöse, und feurige Lohe und ein Donnerkeyl fuhren vom Himmel herab und zerschmetterten den Tempel in tausend Scherben, sodass alle heydnischen Richter und Priester, die darinnen gewesen, zu Tode kamen. Und da der Gestank und die Dünste sich zerstreut hatten, siehe, da war Usires Ädons Körper verschwunden, und es erhob sich ein groß Geschrey, Gott habe ihn zu sich in den Himmel zurückgeholt und seyne Feynde gestraft; indessen sagten andere, Usires’ geduldige Schüler hätten den Leychnam abgeschnitten und seyen im Tohuwabohu entkommen. Doch wurden diese Leugner schnell zum Schweygen gebracht, und die Nachricht von dem Wunder verbreytete sich in allen Teylen der Stadt. Und so begann der Untergang der Heydengötter von Nabban.
In den rauchenden Trümmern des Tempels aber lag nun ein ungeheurer Steyn, und Dampf ging von ihm aus. Die Ädoniter verkündeten, dies seyder Altar der Heyden, der im Feuer der Rache des Eynen Gottes zerschmolzen sey.
Ich aber, Nisses, glaube stattdessen, dass es ein Flammenstern vom Himmel war, der auf die Erde gefallen, wie dieses gelegentlich vorkömmt.
Und von diesem geschmolzenen Bruchstück nahmen sie einen großen Batzen, und des Imperators Schwertschmiede entdeckten, dass man ihn bearbeyten konnte; und so hämmerten sie das Himmelsmetall zu einer gewaltigen Klinge. Und zur Erinnerung an die Geyßelzweyge, mit denen man Usires’ Rücken geschunden, nannte man das Sternenschwert – denn dafür halte ich es – Dorn , und große Macht ruhte in ihm.«
»Und so«, sagte Binabik, »kam das Schwert Dorn, das sich in der Dynastie der Herrscher von Nabban forterbte, endlich auf …«
»Auf Herrn Camaris, den liebsten Freund meines Vaters«, schloss Josua. »Es gibt sehr viele Geschichten über Camaris’ Schwert, aber ich habe bisher nicht gewusst, woher es stammte … wenn man Nisses Glauben schenken will. Irgendwie klingt mir diese Stelle nach Ketzerei.«
»Diejenigen seiner Behauptungen, deren Wahrheit man nachprüfen kann, haben sich als hieb- und stichfest erwiesen, Hoheit«, bemerkte Jarnauga und strich sich den Bart.
»Aber dennoch«, sagte Josua wieder, »was soll das alles bedeuten? Als Camaris damals ertrank, verschwand auch sein Schwert.«
»Gestattet mir, Euch noch mehr aus Nisses’ Schriften vorzulesen«, antwortete Binabik. »Im Folgenden spricht er vom dritten Teil unseres Rätsels.«
»Das zweyte der Großen Schwerter kam vom Meer und segelte aus dem Westen über den salzigen Ozean nach Osten Ard.
Seyt einer Reyhe von Jahren nämlich waren zu gewissen Jahreszeyten die Seeräuber in unser Land eyngefallen. Sie kamen aus einem fernen, kalten Land, das sie Ijsgard nannten, und wenn sie ihre Plünderungen beendet hatten, so fuhren sie über die Wogen zurück nach Hause.
Aber es fiel etwas vor in ihrer Heymat, ein schreckliches Ereygnis oder sonstig Unheyl, und darum gaben die Männer von Ijsgard dieses Land auf und brachten ihre Sippen in Booten nach Osten Ard. Dort siedelten sie sich im Norden an, im Rimmersgard, dem Land meyner eygenen, viel kürzer zurückliegenden Geburt.
Da sie nun gelandet, dankte ihr König Elvrit Udun und den anderen heydnischen Göttern; und er befahl, dass aus dem eysernen Kiele seynes Drachenbootes ein Schwert solle geschmiedet werden, um seyn Volk im neuen Land zu schützen.
Und so geschah es, dass sie den Kiel den Dverningen übergaben, einem geheymnisvollen und listigen Volke, das auf eine Weyse, so wir nicht kennen, das reyne und bedeutsame Metall vom übrigen schied, und sie schmiedeten daraus
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