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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gewändern die Gießerei durchschritt, sah er mit Befriedigung, wie die Arbeiter, die Masken und schwere Mäntel trugen, ihn anstarrten und zurückzuckten, wenn er an ihnen vorbeikam. Das pulsierende Licht der Schmiede versetzte ihn in gehobene Stimmung, und er lachte kurz in sich hinein, als er sich einen Augenblick vorstellte, als Erzdämon über die Ziegel der Hölle zu schreiten, während rechts und links die kleinen Unterteufel zur Seite wichen.
    Gleich darauf verschwand die gute Laune, und seine Züge verfinsterten sich. Irgendetwas geschah mit diesem kleinen Miststück, Morgenes’ Zauberlehrling; Pryrates wusste es. Er hatte es so deutlich gespürt, als hätte man ihn mit einem spitzen Gegenstand gestochen. Seit der Steinigungsnacht bestand eine seltsame, lockere Verbindung zwischen ihnen; sie biss nach ihm und nagte an seiner Konzentration. Das Werk jener Nacht war zu wichtig, zu gefahrvoll gewesen, als dass es irgendeine Einmischung vertragen hätte. Nun dachte der Junge wieder daran, erzählte wahrscheinlich Lluth oder Josua oder sonst jemandem alles, was er wusste. Man musste sich ernsthaft mit diesem lästigen, neugierigen Jungen befassen.
    Pryrates blieb vor dem großen Schmelzkessel stehen und baute sich mit über der Brust gekreuzten Armen davor auf. So stand er lange Zeit, ohnehin zornig und noch zorniger werdend, weil man ihn warten ließ. Endlich eilte einer der Gießer herbei und beugte ungeschickt das in einer dicken Hose steckende Knie.
    »Wie dürfen wir Euch dienen, Meister Pryrates?«, fragte der Mann, die Stimme durch das feuchte Tuch gedämpft, das den unteren Teil seines Gesichtes bedeckte.
    Der Priester starrte ihn so lange stumm an, bis sich sein Unbehagen in wirkliche Furcht verwandelte.
    »Wo ist euer Aufseher?«, zischte er.
    »Dort, Vater.« Der Mann deutete auf eine der dunklen Öffnungen in der Wand der Gießereihöhle. »Eines von den Kurbelrädern an der Winde hat sich gelöst … Eure Eminenz.«
    Das war zwar ein unverdienter Titel, denn Pryrates war nach außen hin noch immer nichts als ein gewöhnlicher Priester, aber es klang nicht schlecht in seinen Ohren.
    »Nun …?«, erkundigte sich Pryrates. Der Mann reagierte nicht, und der Priester versetzte ihm einen harten Tritt gegen das mit Leder geschützte Schienbein. »Dann hole ihn!«, schrillte er.
    Unter zahlreichen Verbeugungen hinkte der Mann davon. In der gepolsterten Kleidung bewegte er sich wie ein Krabbelkind. Pryrates war sich der Schweißperlen bewusst, die sich auf seiner Stirn bildeten, der Luft, die der Hochofen ausspie und die das Innere seiner Lungen zu versengen schien, aber dennoch verzog sich sein hageres Gesicht zu einem knappen Grinsen. Er hatte schon Schlimmeres erlebt: Gott … oder wer sonst … wusste es.
    Endlich erschien, riesenhaft und bedächtig, der Aufseher. Seine Größe, als er endlich schlurfend zum Stehen kam und Pryrates weit überragte, war an sich schon fast eine Beleidigung.
    »Ich nehme an, du weißt, weshalb ich hier bin?«, fragte der Priester mit glitzernden schwarzen Augen und vor Unzufriedenheit verkniffenem Mund.
    »Wegen der Maschinen«, erwiderte der andere mit ruhiger Stimme, die jedoch einen leicht bockigen Unterton besaß.
    »Ja, wegen der Belagerungsmaschinen!«, fauchte Pryrateswütend. »Nimm die verdammte Maske ab, Inch, damit ich dich sehe, wenn ich mit dir rede!«
    Der Aufseher streckte eine borstenhaarige Pranke aus und schlug das Tuch zurück. Sein zerstörtes Gesicht, wellig von Brandnarben rund um die leere rechte Augenhöhle, verstärkte das Gefühl des Priesters, in einer der Vorhallen zur Großen Hölle zu stehen.
    »Die Maschinen sind noch nicht fertig«, erklärte Inch beharrlich. »Verloren drei Männer, als letzten Drorstag das große Ding zusammenbrach. Geht langsam.«
    »Ich weiß, dass sie noch nicht fertig sind. Nimm dir mehr Männer. Ädon weiß, dass genügend Faulpelze auf dem Hochhorst herumlungern. Wir werden ein paar vom Adel mitarbeiten lassen, damit sie auch einmal Blasen an ihre feinen Hände bekommen. Aber der König verlangt die Maschinen, und zwar schnell. In zehn Tagen zieht er ins Feld. In zehn Tagen, verdammt!«
    Inchs einzige Braue hob sich langsam wie eine Zugbrücke. »Naglimund. Er will nach Naglimund, nicht wahr?« Ein hungriges Licht glühte in seinem Auge.
    »Das braucht dich nicht zu kümmern, du narbiger Affe«, meinte Pryrates verächtlich. »Sorge lieber dafür, dass alles fertig wird! Du weißt, warum man dir diese gehobene

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