Der Drachenbeinthron
wissen müsste?« Der Prinz lächelte bekümmert. »Gott muss mich wohl züchtigen wollen, wenn er mir den Alptraum, eine belagerte Burg zu befehligen, schenkt und dann noch mit so vielen anderen Dingen erschwert.«
Jarnauga lehnte sich nach vorn. »Solange ihr nur im Gedächtnis behaltet, Prinz, dass es hier nicht um einen Alptraum geht, sondern um finstere Wirklichkeit. Keiner von uns kann sich den Luxus erlauben, diese Dinge für Fantasie zu halten.«
»Vater Strangyeard und ich haben seit Tagen die Burgarchive durchforstet«, erklärte Binabik, »seit meiner Ankunft versuchen wir schon herauszufinden, was das ›Verhängnis der Schwerter‹ bedeutet.«
»Den Traum meint Ihr, von dem Ihr mir berichtet habt?«, fragte Josua und durchblätterte abwesend die vor ihm auf dem Tisch verstreuten Schriftseiten. »Den Ihr und der Junge im Haus der Zauberfrau hattet?«
»Und nicht nur sie«, ergänzte Jarnauga, und seine Augen waren so scharf wie blaue Eissplitter. »In den Nächten, bevor ich Tungoldyr verließ, träumte auch ich von einem großen Buch, auf dem in feurigen Lettern DU SVARDENVYRD stand.«
»Ich habe natürlich vom Buch des Priesters Nisses gehört«, meinte der Prinz und nickte, »als ich als Junge Schüler bei den Usiresbrüdern war. Es hatte einen üblen Ruf, aber es existiert ja nicht mehr. Ihr wollt mir doch gewiss nicht erzählen, Ihr hättet in unserer Burgbibliothek ein Exemplar gefunden?«
»Gesucht haben wir allerdings danach«, entgegnete Binabik. »Wenn es irgendwo sein könnte, dann nur hier – außer vielleicht in der Sancellanischen Ädonitis. Strangyeard hat eine Bibliothek von großer Wunderbarkeit angesammelt.«
»Sehr freundlich«, sagte der Archivar und drehte sich zur Wand, als studiere er einen der dort hängenden Teppiche, damit das unziemliche Erröten der Freude auf seinen Wangen nicht seinen Ruf als nüchterner Historiker gefährdete.
»Tatsächlich war es, so eifrig auch Strangyeard und ich unsere Jagd betrieben, Jarnauga, der unser Problem zu einem Teil gelöst hat«, fuhr Binabik fort.
Der alte Mann klopfte mit dürrem Finger auf das Pergament. »Es war ein glücklicher Zufall, der, so hoffe ich, ein gutes Vorzeichen für uns alle ist. Morgenes hatte mir einmal eine Botschaft mit Fragen über Nisses geschickt – der natürlich ein Rimmersmann war wie ich –, um in seiner Schrift über das Leben Eures Vaters, König Johan, einige Lücken zu füllen. Ich fürchte, ich konnte ihm nicht viel helfen. Ich teilte ihm mit, was ich wusste, aber ich vergaß seine Fragen nicht.«
»Und«, fügte Binabik aufgeregt hinzu, »eine weitere glückliche Zufälligkeit: Das Einzige, was der Junge Simon aus der Zerstörung von Morgenes’ Gemächern rettete, war … dieses Buch!« Er packte mit der kurzen braunen Hand ein Pergamentbündel und wedelte damit in der Luft herum. »Leben und Regierung König Johan Presbyters von Morgenes Ercestres – Doktor Morgenes von Erchester. Der Doktor ist noch unter uns, auch wenn er nicht mehr lebt.«
»Wir schulden ihm mehr, als sich sagen lässt«, verkündete Jarnauga feierlich. »Er sah die dunkle Zeit kommen und traf vielerlei Vorbereitungen – von denen wir manche noch gar nicht kennen.«
»Aber das hier ist im Augenblick das Wichtigste«, platzte der Troll dazwischen, »eben sein Buch über Priester Johan. Schaut her!« Er schob Josua die Papiere in die Hand. Der Prinz blätterte darin herum und sah dann mit leisem Lächeln auf.
»Nisses’ krause und altertümliche Sprache ruft mir meine Lehrzeit ins Gedächtnis zurück, als ich mich in den Archiven der Sancellanischen Ädonitis herumtrieb.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Das ist natürlich alles sehr spannend, und ich bete nur, dass ich einmal die Zeit haben werde, Morgenes’ ganzes Werk zu lesen; aber ich verstehe trotzdem noch immer nicht.« Er hielt die Seite hoch, die er gerade gelesen hatte. »Hier wird geschildert, wie die Klinge Leid geschmiedet wurde. Aber ich finde darin nichts, das uns Jarnauga nicht bereits mitgeteilt hätte. Was soll uns das helfen?«
Mit Josuas Erlaubnis nahm Binabik das Manuskript wieder an sich. »Wir müssen es uns noch genauer ansehen, Prinz«, erklärte er. »Morgenes zitiert Nisses – und die Tatsache, dass er zumindest einen Teil von Du Svardenvyrd gelesen hat, bestätigt mir nur seine außerordentliche Findigkeit. Außerdem gibt er an, Nisses habe zwei weitere ›Große Schwerter‹ erwähnt. Außer Leid noch zwei andere. Hier, lasst mich
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