Der Drachenbeinthron
wühlte mit den Fingern in seinem Bart. »Das Netz schwankt im Wind, Josua. In einem starken Wind.« Er erläuterte diese Bemerkung nicht weiter, und von neuem senkte sich Schweigen über die hohe Halle.
Der Mann in der Hundemaske fluchte matt und spie einen weiteren Blutklumpen in den Schnee. Jeder Geringere, das wusste er, wäre längst tot gewesen, hätte er mit zerschmetterten Beinen und zerquetschten Rippen in der Kälte liegen müssen. Aber dieser Gedanke war nur ein schwacher Trost. All die Jahre ritueller Übung und abhärtender Knochenarbeit, die ihm das Leben gerettet hatten, als das sterbende Pferd sich über ihn gewälzt hatte, würden sich als sinnlos erweisen, wenn er nicht bald einen geschützten, trockenen Ort erreichte. Noch ein paar Stunden im Schnee würden vollenden, was seine Stute begonnen hatte.
Die verdammten Sithi – deren unerwartetes Eingreifen geradezu unglaublich war – hatten ihre menschlichen Gefangenen nur wenige Schritte neben der Stelle vorbeigeführt, an der er gelegen hatte, begraben unter einem halben Fuß Schnee. Er hatte alle Reserven an Kraft und Mut aufgeboten, um übernatürlich still auszuharren, während das Schöne Volk sich auf dem Platz umsah. Sie mussten zu dem Schluss gekommen sein, er habe sich irgendwo verkrochen, um zu sterben, und waren bald weitergezogen.
Jetzt kauerte er zitternd, wo er sich aus der verhüllenden weißen Decke hervorgewühlt hatte, und sammelte seine Kräfte für den nächsten Schritt. Seine einzige Hoffnung lag darin, auf irgendeine Weise nach Haethstad zurückzugelangen, wo inzwischen zwei seiner eigenen Männer auf ihn warten mussten. Er verfluchte sich selbst hundertfach, weil er so dumm gewesen war, sich auf Skalis ungeschickte Tölpel zu verlassen – betrunkene Plünderer und Frauenprügler, nichts anderes waren sie, nicht wert, ihm die Stiefel zu putzen. Wäre er nur nicht gezwungen gewesen, seine eigenen Leute in einer anderen Sache fortzuschicken!
Er schüttelte den Kopf, um die tanzenden, glitzerndenSchneeflocken loszuwerden, die vom allmählich dunkler werdenden Himmel herunterschwebten. Dann spitzte er die aufgesprungenen Lippen. Aus der geifernden Hundeschnauze ertönte höchst unpassend der Schrei einer Schnee-Eule. Während er wartete, versuchte er nochmals vergeblich aufzustehen oder wenigstens zu kriechen. Es war sinnlos; beide Beine waren ernstlich verletzt. Ohne sich um den brennenden Schmerz in den gebrochenen Rippen zu kümmern, zog er sich mit den Händen ein Stück näher auf die Bäume zu, musste dann aber innehalten. Flach lag er auf dem Boden und rang nach Luft.
Gleich darauf spürte er einen heißen Hauch und hob den Kopf. Wie in einem wunderlichen Spiegel hatte sich die schwarze Schnauze des Helms verdoppelt: Wenige Zoll von ihm entfernt grinste ein weißes Maul.
»Niku’a«, keuchte er in einer Sprache, die keine Ähnlichkeit mit seiner Rimmerspakk hatte. »Komm her, Udun verdamm dich! Komm!«
Der gewaltige Hund kam einen weiteren Schritt näher, bis er hoch vor seinem verletzten Herrn aufragte.
»Jetzt … bleib stehen«, befahl der Mann und griff mit starken Händen nach dem weißen Lederhalsband, um sich daran festzuhalten. »Und zieh!«
Er stöhnte qualvoll auf, als der Hund wirklich zog, aber sein Griff blieb fest. Unter der starren Hundemaske des Helms hatte er die Zähne zusammengebissen, die Augen wollten ihm aus dem Kopf treten. Der hämmernde, reißende Schmerz machte ihn beinahe ohnmächtig, als der Hund ihn holpernd über den Schnee zerrte, aber er lockerte keinen Finger, bevor er den Schutz der Bäume erreicht hatte. Erst dann ließ er los, ließ alles los. Er glitt hinab in die Dunkelheit, fand kurzen Aufschub von seinen Schmerzen.
Als er aufwachte, war das Grau des Himmels um mehrere Töne dunkler geworden, und der Wind hatte eine pudrige Schneeschicht über ihn gelegt. Noch immer wartete der gewaltige Hund Niku’a, trotz seines kurzen Felles ungerührt und ohne zu zittern, so als liege er behaglich vor einem lodernden Kamin. Der Mann auf der Erdewar nicht überrascht; er kannte die eisigen schwarzen Zwinger von Sturmspitze gut und wusste, wie die Tiere dort aufwuchsen. Er betrachtete Niku’as rotes Maul und die krummen Zähne, die winzigen weißen Augen wie milchige Gifttropfen und war wieder einmal dankbar, dass er den Hunden folgte, und nicht umgekehrt.
Er streifte den Helm ab – nicht ohne Mühe, denn der Sturz hatte ihn verbogen – und stellte ihn neben sich in den Schnee. Dann
Weitere Kostenlose Bücher