Der Drachenbeinthron
Kopf voran, in die Öffnung. Gleich darauf waren sie verschwunden.
»Du«, forderte der Anführer Simon auf. »Folge ihnen.«
Von Haestan und den beiden anderen Soldaten kam ein zorniges Murmeln, aber Simon fühlte trotz ihrer ungewöhnlichen Lage kein Misstrauen. Er kniete nieder und steckte den Kopf in die Öffnung.
Dahinter lag ein schmaler, schimmernder Tunnel, ein Schlauch, dessen Wände mit Eis bedeckt waren und der steil nach oben und von ihm wegführte. Anscheinend war er unmittelbar in den Stein des Berges gehauen worden. Die Sithi vor ihm mussten wohl schon hinter der nächsten Biegung verschwunden sein, denn sie waren nicht mehr zu sehen, und in dem glasglatten, engen Gang, kaum breit genug, um die Arme darin zu heben, hätte sich niemand verstecken können.
Simon duckte sich und kroch wieder in die kalte Luft hinaus.
»Wie komme ich dort weiter? Es geht fast senkrecht nach oben, und alles ist mit Eis bedeckt. Ich würde nur wieder herunterrutschen.«
»Schau über deinen Kopf«, antwortete der Anführer der Sithi. »Dann wirst du verstehen.«
Simon kehrte in den Tunnel zurück und schob sich ein kleines Stück weiter vor, bis auch Schultern und Oberkörper darin steckten und er sich umdrehen und in die Höhe blicken konnte. Das Eis der Tunneldecke, sofern man etwas, das nur eine halbe Armlänge über einem lag, als Decke bezeichnen konnte, wies in regelmäßigen Abständen waagrechte Einschnitte auf, die sich über die ganze Längedes Ganges, soweit man ihn überblicken konnte, fortsetzten. Jeder Einschnitt war mehrere Zoll tief und breit genug, beiden Händen nebeneinander bequem Platz zu bieten. Simon begriff, dass er sich an Händen und Füßen hochziehen und dabei mit dem Rücken gegen den Tunnelboden stemmen sollte.
Diese Vorstellung bereitete ihm einiges Unbehagen, denn er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lang der Tunnel war und mit wem er ihn möglicherweise zu teilen hatte. Er erwog, sich nochmals durch den engen Gang nach draußen zu zwängen. Aber dann änderte er seine Meinung. Die Sithi vor ihm waren den Tunnel so schnell hinaufgehuscht wie Eichhörnchen, und aus irgendeinem Grund fühlte er den Drang, ihnen zu zeigen, dass er, wenn schon nicht so geschickt wie sie, doch kühn genug war, ihnen ohne weiteres Zureden zu folgen.
Der Aufstieg war schwierig, aber nicht unmöglich. Der Tunnel wechselte so häufig die Richtung, dass er immer wieder haltmachen und sich ausruhen musste, indem er sich mit den Füßen an den Biegungen des Ganges abstützte. Während er langsam griff, zog und stemmte, immer wieder, bis seine Muskeln krampften, wurde ihm der Vorteil eines derartigen Tunneleinganges – wenn es wirklich einer war – überdeutlich: Das Hinaufklettern war äußerst mühsam und für Tiere so gut wie unmöglich; wer aber eilig das Weite suchen musste, konnte so schnell darin hinabgleiten wie eine Schlange.
Gerade überlegte er, ob er eine weitere Rast einlegen sollte, als er über seinem Kopf Stimmen hörte, die sich in der fließenden Sithisprache unterhielten. Gleich darauf griffen starke Hände nach ihm, packten ihn bei den Verschlussriemen seines Kettenhemdes und zogen ihn in die Höhe. Überrascht nach Luft schnappend schoss er aus dem Tunnel und stürzte auf einen warmen Steinboden voller Pfützen aus geschmolzenem Schnee.
Die beiden Sithi, die ihn herausgezogen hatten, hockten neben der Mündung des Tunnels. Ihre Gesichter waren im Halbdunkel kaum zu erkennen. Das einzige Licht in dem Raum, der eigentlich weniger ein Raum als vielmehr eine sorgsam von allem Geröll gesäuberte Felshöhle war, kam aus einer türgroßen Spalte in der gegenüberliegenden Wand. Aus dieser Lücke drang gelber Glanz undmalte einen hellen Streifen auf den Höhlenboden. Als Simon aufstehen wollte, fühlte er eine schmale Hand auf der Schulter, die ihn zurückhielt. Der dunkelhaarige Sitha neben ihm zeigte auf die niedrige Decke und machte dann eine winkende Bewegung nach der Tunnelmündung.
»Warten«, sagte er ruhig. Die Sprache der Westerlinge war ihm nicht so geläufig wie seinem Anführer. »Müssen warten.«
Haestan kam als Nächster nach oben, murrend und knurrend. Die beiden Sithi mussten seine massige Gestalt aus der Öffnung zerren wie den Korken aus einem Weinkrug. Binabik folgte ihm auf den Fersen – der geschickte Troll hatte den Erkynländer mit Leichtigkeit eingeholt –, und bald danach waren auch Sludig und Grimmric oben. Die drei übrigen Sithi kletterten geschmeidig
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