Der Drachenbeinthron
er.
Sludig hängte seinen eigenen zerspellten Helm an Ethelbearns Schwertknauf und nahm dann den anderen, den man ihm entgegenstreckte. »Wir werden dich rächen, Mann«, erklärte der Rimmersgarder. »Blut um Blut.«
Schweigen senkte sich über sie. Schnee sickerte durch die Bäume. Sie standen da und starrten auf das Stück nackte Erde. Bald würde alles wieder weiß sein.
»Kommt jetzt«, sagte der Anführer der Sithi endlich. »Wir haben lange genug auf euch gewartet. Es gibt jemanden, der diesen Pfeil wird sehen wollen.«
Simon ging als Letzter. Ich hatte kaum Zeit, dich kennenzulernen, Ethelbearn, dachte er. Aber du hattest ein ehrliches, lautes Lachen. Das werde ich nicht vergessen.
Sie wandten sich um und schlugen den Weg in die kalten Berge ein.
Die Spinne hing bewegungslos da, wie ein stumpfbrauner Edelstein in einem kunstvollen Halsband. Ihr Netz war fertig, die letzten Fäden graziös plaziert; es reichte von der einen Seite der Deckenecke zur anderen und zitterte leicht in der aufsteigenden Luft, als zupften unsichtbare Hände daran. Für einen Moment verlor Isgrimnur den Gesprächsfaden, obwohl es ein wichtiges Gespräch war. Seine Augen waren von den bedrückten Gestalten, die sich in der großen Halle um den Kamin drängten, fortgewandert, hatten die dunkle Ecke gestreift und die kleine Baumeisterin entdeckt, die sich dort ausruhte.
Das nenne ich vernünftig, sagte er zu sich selbst. Man baut sich etwas, und dort bleibt man dann. So sollte es sein. Nicht dieses dauernde Hin und Her, bei dem man seine Angehörigen oder die heimatlichen Dächer manchmal ein Jahr lang nicht zu Gesicht bekommt.
Er dachte an seine Frau Gutrun, die Scharfäugige mit den roten Wangen. Kein Wort des Vorwurfes hatte er von ihr gehört, aber er wusste, dass sie zornig war, weil er so lange von Elvritshalla fortgeblieben war und es ihrem ältesten Sohn, dem Stolz ihres Herzens, überlassen hatte, das große Herzogtum zu regieren … und dabei zu versagen. Nicht dass Isorn oder sonst jemand in Rimmersgard Skali und seine Anhänger hätte aufhalten können, nicht mit der Macht des Hochkönigs hinter ihnen. Aber es war der junge Isorn gewesen, der die Verantwortung getragen hatte, während sein Vater fern war, und es war Isorn, an den man sich als denjenigen erinnern würde, der zugesehen hatte, wie die Kaldskryke-Leute, die Erbfeinde der Männer von Elvritshalla, prahlerisch durch das Langhaus stolzierten – als die neuen Herren und Gebieter.
Und ich hatte mich diesmal so darauf gefreut, nach Hause zu kommen, dachte der alte Herzog traurig. Es wäre so schön gewesen, mich um meine Pferde und Kühe zu kümmern, ein paar Streitigkeiten in der Nachbarschaft zu schlichten und zuzusehen, wie meine Kinder ihre Kinder erziehen. Stattdessen ist das ganze Land zerrissen wie ein leckes Strohdach. Gott helfe mir, ich hatte schon vor Jahren das Kämpfen satt … so viel ich auch davon geschwatzt habe.
Schließlich waren Kämpfe vor allem etwas für leichtfertige jungeMänner, deren Bindung ans Leben locker war. Und etwas, von dem alte Männer redeten, an das sie sich erinnern konnten, wenn sie in ihrer Halle im Warmen saßen und der Winter draußen vor der Tür heulte.
Für einen verdammten alten Hund wie mich ist es jetzt Zeit, sich vors Feuer zu legen und zu schlafen.
Er zupfte an seinem Bart und sah zu, wie die Spinne in die dunkle Dachecke hinüberkroch, wo sich eine unvorsichtige Fliege niedergelassen hatte.
Wir dachten, Johan hätte einen Frieden geschmiedet, der tausend Jahre halten müsste, und nun hat der Friede Johans Tod nicht einmal zwei Sommer überdauert. Man baut und baut immer weiter, legt Faden über Faden wie die Kleine dort oben – und dann kommt ein Sturmwind und bläst alles in Fetzen.
»… und so habe ich zwei Pferde beinahe zuschanden geritten, um Euch die Nachricht so schnell wie möglich zu bringen, Herr«, schloss der junge Mann, als Isgrimnur sein Ohr wieder der dringlichen Besprechung zuwendete.
»Das hast du großartig gemacht, Deornoth«, antwortete Josua. »Bitte steh auf.«
Mit vom Ritt noch feuchtem Gesicht und strähnigem Haar erhob sich der junge Soldat und wickelte sich fester in die dicke Decke, die der Prinz ihm gereicht hatte. Er sah ganz so aus wie damals, als er im Gewand des heiligen Mönches zur Feier des Sankt-Tunath-Tages dem Prinzen die Nachricht vom Tod seines Vaters gebracht hatte.
Der Prinz legte Deornoth die Hand auf die Schulter. »Ich bin froh, dass du wieder hier bist.
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