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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hinterher.
    Sobald der letzte der Schönen den Tunnel verlassen hatte, ging es weiter. Die Männer durchschritten die Öffnung im Felsen und traten in einen kurzen Gang, in dem sie endlich wieder aufrecht stehen konnten. Dort waren in Wandnischen Lampen aus einer Art milchiggoldenem Kristall oder Glas aufgestellt, deren flackerndes Licht ausreichte, den schmalen Lichtschein, der von der Tür am anderen Ende des Ganges ausging, zu überdecken, bis sie fast davor standen. Einer der Sithi näherte sich der Spalte, die im Gegensatz zu der ersten mit einem Vorhang aus dunklem Stoff vom Gang abgetrennt war, und rief etwas. Gleich darauf schoben sich zwei weitere Sithi hinter dem Tuch hervor. Sie hielten kurze Schwerter in der Hand, die aus einem schwärzlichen Metall zu bestehen schienen. Stumm und wachsam standen sie da, ohne Überraschung oder Neugier zu zeigen, als der Anführer, der die Menschen gefangen genommen hatte, sprach.
    »Wir werden euch die Hände binden.« Bei diesen Worten zogen die anderen Sithi einige glänzend schwarze Schnüre unter den Kleidern hervor.
    Sludig trat einen Schritt zurück und stieß gegen einen der Wächter, der ein leises Zischen von sich gab, jedoch friedlich blieb.
    »Nein«, erklärte der Rimmersmann mit gefährlich gepresster Stimme, »das lasse ich nicht zu. Niemand fesselt mich gegen meinen Willen.«
    »Mich auch nicht«, fiel Haestan ein.
    »Seid nicht töricht«, sagte Simon, trat vor und streckte die gekreuzten Handgelenke aus. »Wir werden hier wahrscheinlich mit heiler Haut herauskommen, aber nicht, wenn ihr einen Streit vom Zaun brecht.«
    »Simon spricht das Rechte«, verkündete Binabik. »Auch ich werde mich binden lassen. Ihr zeigt keine Vernunft, wenn ihr anders handelt. Simons Weißer Pfeil ist echt. Er ist der Grund, dass man uns nicht getötet, sondern hierhergebracht hat.«
    »Aber wie können wir …«, begann Sludig.
    »Außerdem«, schnitt ihm Binabik das Wort ab, »was wollt ihr tun? Selbst wenn ihr diese hier im Kampf besiegtet – und auch die anderen, die höchstwahrscheinlich hinter dem Vorhang warten –, was dann? Wenn ihr den Tunnel hinabrutschen wolltet, würdet ihr zweifellos krachend auf Qantaqa landen, die uns unten erwartet. Ich fürchte, nach einem solchen Schreck würde sie euch kaum die Gelegenheit geben, ihr zu erzählen, dass ihr keine Feinde seid.«
    Sludig sah einen Augenblick auf den Troll hinunter und erwog offenbar die Möglichkeit, von der verängstigten Qantaqa verwechselt zu werden. Endlich brachte er ein schwaches Lächeln zustande.
    »Du gewinnst schon wieder, Troll.« Er streckte die Hände aus.
    Die schwarzen Schnüre waren kühl und schuppig wie Schlangenhaut, aber geschmeidig wie geölte Lederriemen. Simon merkte, dass einige wenige Schlingen seine Hände so unbeweglich machten, als würden sie von der Faust eines Riesen zusammengehalten. Als die Sithi alle gefesselt hatten, wurde die Gruppe weitergeführt, durch die stoffverhängte Tür hindurch, mitten in eine Flut aus Licht, die sie blendete.
    Wenn Simon sich später daran zu erinnern versuchte, kam es ihm vor, als hätten sie durch eine Wolkenschicht ein strahlendes, schimmerndes Land betreten – irgendwo in Sonnennähe. Nach dem öden Schnee und den einförmigen Tunneln war es ein Unterschied wie zwischen dem wilden Taumel des Neunter-Tag-Festes und den acht grauen Tagen, die ihm vorangingen.
    Das Licht und seine Magd, die Farbe, leuchteten überall. Der Raum war eine Felsenkammer von etwas weniger als doppelter Mannshöhe, aber gewaltiger Ausdehnung. Baumwurzeln wandensich mit festem Griff die Wände hinunter. In einer dreißig Fuß entfernten Ecke floss ein glitzernder Wasserlauf durch eine Steinrinne, um dann in hohem Bogen in einen Teich zu plätschern, der in ein sehr natürlich geformtes Steinbecken gefasst war. Das zarte Murmeln des Wasserfalles mischte sich mit der fremdartig kunstvollen Musik, die in der Luft schwebte.
    Lampen, wie sie den steinernen Gang gesäumt hatten, standen überall und warfen je nach Machart gelbe, elfenbeinweiße, blässlich blaue oder rosenrote Strahlen in die Steingrotte. Miteinander verschmelzend malten die Strahlen hundert verschiedenen Farbtöne an die Wand. In der Mitte brannte auf dem Boden, unweit vom Rand des Teiches, ein lebhaftes Feuer, dessen Rauch durch einen Spalt in der Decke abzog.
    »Elysia, heilige Ädonsmutter«, sagte Sludig ehrfürchtig.
    »Hab nie gewusst, dass hier unten auch nur eine Karnickelhöhle war.« Grimmric

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