Der Drachenbeinthron
und schloss mit langsamem Reptilblinzeln die Augen, um sie sofort mit unglücklichem Lächeln wieder zu öffnen.
»Dann muss es so sein«, erklärte er. »Ich binde nur ungern den, der den Staj’a Ame trägt, aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Über mein Herz möge es kommen, ob Recht oder Unrecht.« Dann neigte er, seltsamerweise fast respektvoll, den Kopf und richtete die leuchtenden Augen auf Simon. »Meine Mutter nannte mich An’nai«, verkündete er.
Simon, völlig verdutzt, ließ einen langen Augenblick verstreichen, bis er Binabiks Stiefel auf seinem Zeh spürte. »Oh!«, erwiderte er. »Ich heiße … meine Mutter nannte mich Simon … oder eigentlich Seoman.« Als er sah, dass der Sithi zufrieden nickte, beeilte er sich hinzuzufügen: »Und das hier sind meine Gefährten – ihre Mütter nannten sie Binabik von Yiqanuc, Haestan und Grimmric von Erkynland sowie Sludig von Rimmersgard.«
Vielleicht, dachte Simon, würde es helfen, seine Gefährten zu schützen, nachdem der Sitha auf das gegenseitige Mitteilen der Namen offensichtlich so großen Wert gelegt hatte.
An’nai nickte wieder und glitt davon, um sich erneut vor dem Steintisch aufzustellen. Seine Begleiter halfen den Gefesselten überraschend sanft, sich hinzusetzen, und zerstreuten sich dann in der Höhle.
Simon und die anderen unterhielten sich mit leisen Stimmen, die eher durch die seltsam verschlungene Musik gedämpft wurden als durch den Ernst ihrer lage.
»Immerhin«, bemerkte Sludig endlich, nachdem er sich bitterlich über die ihnen zuteilgewordene Behandlung beschwert hatte, »sind wir noch am Leben. Wenige Menschen begegnen Dämonen und haben so viel Glück dabei.«
»Du bist schon großartig, Simon, Bursche!«, lachte Haestan. »Wirklich großartig! Lässt das Schöne Volk Verbeugungen und Kratzfüße machen! Wir dürfen nur nicht vergessen, uns einen Sack Gold zu wünschen, bevor wir uns wieder verabschieden.«
»Verbeugungen und Kratzfüße?« Simon lächelte unglücklich. »Und bin ich etwa frei? Trage ich keine Fesseln? Esse ich zu Abend?«
»Wie wahr.« Haestan schüttelte betrübt den Kopf. »Ein kleiner Happen wäre jetzt schon recht. Und ein oder zwei Krüge.«
»Ich denke, wir werden nichts erhalten, bevor Jiriki uns nicht begrüßt hat«, meinte Binabik. »Aber wenn er wirklich derjenige ist, den Simon gerettet hat, essen wir vielleicht doch noch gut.«
»Glaubst du, dass er ein wichtiger Mann ist?«, fragte Simon. »An’nai nannte ihn ›den edlen Jiriki‹.«
»Sofern es nicht noch einen anderen gibt, der diesen Namen trägt …«, begann Binabik, wurde jedoch von dem zurückkehrenden An’nai unterbrochen. Mit ihm kam der gerade erwähnte Jiriki, den Weißen Pfeil in der Hand.
Mit einer Geste rief er zwei von den anderen Sithi herbei und befahl ihnen, die Gefangenen loszubinden. Dann drehte er sich um und sagte rasch etwas in seiner fließenden Sprache. Die melodischen Worte hatten einen vorwurfsvollen Unterton. An’nai hörte Jirikis Zurechtweisung, falls es eine war, ausdruckslos an und senkte lediglich den Blick.
Simon, der ihn genau beobachtete, war sicher, dass es sich –dachte man sich die blauen Flecke und Schnittwunden vom Angriff des Kätners weg – um denselben Sitha handelte.
Jiriki machte eine Handbewegung, und An’nai entfernte sich. Wegen seiner selbstsicheren Haltung und der Achtung, die seine Umgebung ihm zollte, hatte Simon ihn zunächst für älter gehalten, zumindest für ebenso alt wie die anderen Sithi. Jetzt aber, trotz der seltsamen Alterslosigkeit der goldenen Gesichter, hatte Simon plötzlich das Gefühl, der edle Jiriki sei, zumindest nach Sithirechnung, noch jung.
Während die Gefangenen sich die befreiten Handgelenke rieben, hielt Jiriki den Pfeil in die Höhe. »Vergebt das Warten. An’nai hat sich geirrt, weil er weiß, wie ernst ich das Shent nehme.« Seine Augen wanderten von den Gefährten nach dem Pfeil und wieder zurück. »Ich hätte niemals geglaubt, dich wiederzusehen, Seoman«, sagte er und hob das Kinn wie ein Vogel mit einem Lächeln, das seine Augen nicht ganz erreichte. »Aber eine Schuld ist eine Schuld … und der Staj’a Ame bedeutet sogar noch mehr. Du hast dich verändert seit unserer ersten Begegnung. Damals ähneltest du mehr einem wilden Tier als deinen Mitmenschen. Du schienst auf mancherlei Weise verirrt.« Sein Blick brannte hell.
»Auch Ihr habt Euch verändert«, erwiderte Simon.
Über Jirikis eckige Züge huschte der Schatten eines
Weitere Kostenlose Bücher