Der Drachenbeinthron
stehen etwa eine halbe Meile vor uns und werden uns von den Mauern abhalten wollen.«
Der Herzog schüttelte erleichtert den Kopf. »Wie viele Leute hat Guthwulf?«
»Etwa hundert Berittene, Herr, aber der Hochkönig kann nicht weit hinter ihm sein.«
»Nun, das soll uns wenig kümmern«, antwortete Leobardis und zügelte am Ufer eines der vielen kleinen Flüsse, die das Wiesenland östlich des Grünwate kreuz und quer durchzogen, sein Ross. »Soll doch die Hand des Königs mit ihrer Schar dort warten, bis sie schwarz wird. Wir nützen Josua mehr, wenn wir den Belagerern aus einiger Entfernung zusetzen und ihm die Versorgungslinien offenhalten.« Wasser spritzte auf, als er durch die Furt ritt. Sofort spornten Benigaris und der Graf ihre Pferde und folgten ihm.
»Aber Vater«, begann Benigaris, »überlegt doch! Unsere Kundschafter melden, Guthwulf sei dem Heer des Königs vorausgeritten, und das mit nur hundert Rittern.« Aspitis Preves nickte bestätigend, und Benigaris zog nachdenklich die dunklen Brauen zusammen. »Wir haben dreimal so viele Ritter, und wenn wir ein paar schnelle Reiter zu Josua schicken, können wir auch seine Truppen mit einbeziehen. Wir würden Guthwulf vor den Mauern von Naglimund zerschmettern wie zwischen Hammer und Amboss.« Er grinste und klopfte seinem Vater auf die gepanzerte Schulter. »Bedenkt docheinmal, wie das König Elias schmecken würde – wäre es nicht ein gehöriger Denkzettel für ihn?«
Eine lange Minute ritt Leobardis schweigend weiter. Er drehte sich um und betrachtete die wogenden Banner seiner Legionen, die sich mehrere Achtelmeilen weit über die Wiesen verteilten. Die Sonne hatte gerade eine dünne Stelle am dicht bewölkten Himmel gefunden und gab dem vom Wind gebeugten Gras Farbe. Es erinnerte ihn an das Seenland östlich seines Palastes.
»Ruft den Trompeter«, erklärte er, und Aspitis machte kehrt und schrie einen Befehl.
»Heja! Ich werde Reiter nach Naglimund schicken, Vater«, sagte Benigaris und lächelte erleichtert. Der Herzog sah, wie gierig nach Ruhm sein Sohn war, aber sein Ruhm würde auch Nabbans Ruhm sein.
»Nimm deine schnellsten Reiter, mein Sohn«, rief er Benigaris nach, der durch die Linien zurückritt. »Denn wir werden schneller vorrücken, als es sich irgendjemand träumen lässt!« Er hob die Stimme zu einem lauten Ruf, und überall auf dem weiten Feld drehten sich ihm die Köpfe zu. »Die Legionen sollen reiten! Für Nabban und Mutter Kirche! Wehe unseren Feinden!«
Wenig später war Benigaris wieder da und meldete, dass die Boten unterwegs seien. Herzog Leobardis ließ die Trompeten einmal und dann noch einmal erschallen, und das gewaltige Heer setzte sich im Geschwindschritt in Marsch. Hufschlag dröhnte und rollte wie schnelles Trommeln über die Wiesensenken, als sie den Inniscrich hinter sich ließen. Am trüben Morgenhimmel stieg die Sonne auf, und die Banner flatterten blau und golden. Der Eisvogel flog nach Naglimund.
Josua war noch dabei, sich den schmucklosen, blankpolierten Helm überzustülpen, als er schon an der Spitze von vierzig Rittern zum Tor hinaustrabte. Der Harfner Sangfugol rannte neben ihm her und streckte ihm etwas entgegen; der Prinz zügelte sein Pferd und ließ es in Schritt fallen.
»Was hast du, Mann?«, fragte er ungeduldig und ließ den suchenden Blick über den nebligen Horizont schweifen.
Der Harfner rang nach Atem. »Es ist … Eures Vaters Banner, Prinz Josua«, keuchte er und reichte es ihm hinauf. »Vom … Hochhorst mitgebracht. Ihr tragt … als einzige Standarte … den grauen Schwan von Naglimund – könntet Ihr Euch ein besseres Banner als Johans wünschen?«
Der Prinz starrte auf die rotweiße Fahne, die halb entrollt auf seinem Schoß lag. Grimmig blitzte das Auge des Feuerdrachen, als bedrohe ein Eindringling den heiligen Baum, um den er sich geringelt hatte. Deornoth, Isorn und ein paar andere Ritter neben ihnen lächelten erwartungsvoll.
»Nein«, sagte Josua und gab Sangfugol das Banner zurück. Seine Augen waren kalt. »Ich bin nicht mein Vater. Und ich bin kein König.«
Er wandte sich ab, schlang die Zügel um den rechten Arm und hob die Hand.
»Vorwärts!«, rief er. »Wir reiten unseren Freunden und Verbündeten entgegen!«
Mit seiner Schar ritt er die steilen Straßen der Stadt hinab. Ein paar von den Burgmauern geworfene Blumen, von Menschen, die ihnen Glück wünschten, flatterten auf den zerstampften, schlammigen Weg.
»Was siehst du, Rimmersmann?«, fragte
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