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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Sonne ausgesetzt, und er bibberte so, dass er kaum die Zügel seines Pferdes halten konnte. Es war, als hätte das Schicksal ihn ein für alle Mal zur Tür hinausgeworfen, eine Strafe, die schon viel zu lange dauerte. Aber er sah keine Möglichkeit, seine Lage zu ändern; er konnte nur jeden Morgen still zu Usires beten, er möge ihn durchhalten lassen, bis sie abends ihr Lager aufschlugen.
    Wenigstens, sann er betrübt, und seine Ohren brannten sogar noch unter der Mantelkapuze, fühlt Binabik sich jetzt wohl.
    Der Troll war in der Tat in seinem Element. Er ritt als Erster, feuerte seine Gefährten an und lachte von Zeit zu Zeit vor lauter Vergnügen, wenn er mit Qantaqa über die immer höher werdenden Schneewehen sprang. An den langen Abenden am Feuer, wenn die anderen zitternd ihre schneenassen Handschuhe und Stiefel ölten, hielt Binabik Vorträge über die verschiedenen Schneesorten, die unterschiedlichen Anzeichen, die auf Lawinen hindeuteten, alles, um die anderen auf die Berge vorzubereiten, die vor ihnen am Horizont unversöhnlich aufragten, streng wie richtende Götter unter ihren Kronen aus weißem Schnee.
    Jeden Tag kam ihnen die gewaltige Bergkette vor ihnen größer, niemals aber auch nur einen Fußbreit näher vor, so weit sie auch geritten waren. Nach einer knappen Woche in den wärmelosen, einförmigen Öden begann Simon Sehnsucht nach dem übel beleumundeten Dimmerskog-Wald zu empfinden, ja, nach den windumtosten Gipfeln der Berge selbst – nach allem außer dieser endlosen Ebene voller Schnee, die einem das Mark in den Knochen gefrieren ließ.
    Am sechsten Tag kamen sie an den Ruinen des Sankt-Skendi-Klosters vorüber. Es war fast völlig unter Schnee begraben; nur der spitze Turm der Kapelle ragte mehr als ein kleines Stück über die Oberfläche hinaus. Ein eiserner Baum , umringt von den Windungen eines schlangenartigen Tieres, krönte das verfallene Dach. Es hob sich vor ihnen aus dem frostschweren Nebel wie ein Schiff, fast versunken in einem Meer aus reinem Weiß.
    »Welche Geheimnisse es auch bergen mag – was immer es noch von Colmund und dem Schwert Dorn weiß –, es verbirgt sie zu gut für uns«, bemerkte Binabik, als ihre Pferde an der untergegangenen Abtei vorbeistapften. Sludig machte das Zeichen des Baumes auf Stirn und Brust und blickte sorgenvoll, während die Sithi langsam um das Kloster herumritten und es anstarrten, als hätten sie noch nie etwas derart Interessantes gesehen.
    Abends, als die Reisenden am Lagerfeuer zusammensaßen, wollte Sludig wissen, warum Jiriki und seine Begleiter so viel Zeit darauf verwendet hatten, das Kloster zu besichtigen.
    »Weil wir«, erwiderte der Prinz, »es erfreulich fanden.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Sludig verärgert und verwirrt und sah zu Haestan und Grimmric hinüber, als ob sie wissen könnten, was der Sitha meinte.
    »Vielleicht sollten wir lieber nicht von diesen Dingen sprechen«, bemerkte An’nai und machte mit gespreizten Fingern eine beschwichtigende Gebärde. »Wir sind Gefährten an diesem Feuer.«
    Jiriki sah einen Moment feierlich in die Flammen und verzog dann das Gesicht zu einem verschmitzten Lächeln. Simon staunte. Manchmal konnte er kaum glauben, dass Jiriki älter war als er selber, sojung und leichtsinnig schien er sich zu benehmen. Aber Simon erinnerte sich auch an die Höhle über dem Wald. Eine verwirrende Mischung aus Jugend und hohem Alter, das war Jiriki.
    »Wir starren an, was uns interessiert«, erläuterte der Sitha, »wie ihr Sterblichen auch. Nur die Gründe unterscheiden sich, und ihr würdet unsere wahrscheinlich nicht verstehen.« Sein breites Lächeln schien ganz und gar freundlich, aber Simon fand eine Unstimmigkeit darin, etwas, das nicht dazu passte.
    »Die Frage, Nordmann«, fuhr Jiriki fort, »ist aber, warum unser Anstarren dir so missfällt?«
    Einen Augenblick senkte sich Stille über den Feuerkreis, als Sludig dem Sithiprinzen einen langen, harten Blick zuwarf. Die Flammen hüpften und prasselten im nassen Holz, und der Wind heulte. Die Pferde traten unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    Sludig schlug die Augen nieder. »Natürlich könnt Ihr anschauen, was Ihr wollt«, meinte er mit traurigem Lächeln; sein blonder Bart war gefleckt von schmelzendem Schnee. »Es ist nur, weil es mich an Saegard erinnert hat – an den Skipphaven. Es war, als würdet Ihr Euch über etwas lustig machen, das mir teuer ist.«
    »Skipphaven?«, murmelte Haestan, tief in seine Pelze vergraben.

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