Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Mauer zurückgebliebenen Soldaten stieg ein wilder Jubelschrei auf. Der erste Reiter spornte sein Ross einen weiteren Schritt vorwärts.
    »Wir sind die Rote Hand!« Seine Stimme war grabeskalt. »Wir dienen keinem außer Ineluki, dem Herrn der Stürme. Die Gründe dafür gehören nur uns – so wie euer Tod nur euch gehören wird!«
    Er schwang den Speer über dem Kopf, und wieder rollten die Trommeln. Schrill gellten die Hörner.
    »Bringt die Wagen!«, schrie Josua vom Dach des Torhauses. »Versperrt den Weg! Sie werden versuchen, das Tor niederzureißen!«
    Aber anstatt einen Rammbock zu holen, um den schweren Stahl und die dicken Balken des Tores zu zerschmettern, blieben die Nornen schweigend stehen und sahen zu, wie sich die fünf Reiter ohne Eile in Bewegung setzten. Einer der Wächter auf der Mauer schoss einen Pfeil ab. Ein Dutzend anderer folgte ihm, aber sofern sie die Reiter überhaupt trafen, gingen sie einfach durch sie hindurch; die bleichen Wesen zuckten nicht einmal.
    Wild schlugen die Trommeln, Pfeifen und fremdartige Trompeten stöhnten und kreischten. Die Reiter stiegen ab, nur vom grellen Licht der Blitze hin und wieder aus der Finsternis gerissen. Die letzten Schritte bis zum Tor gingen sie zu Fuß.
    Mit furchteinflößender Langsamkeit griff der Anführer nach seinem Kapuzenmantel und öffnete ihn. Ein tiefrotes Licht schien daraus hervorzustrahlen. Als er sich den Mantel herunterriss, war es, als drehe er selbst sein Inneres nach außen: Plötzlich war da nur noch Formlosigkeit, schwelend rote Lohe. Die vier anderen taten es ihm nach. Fünf Wesen mit wechselnden, flackernden Umrissen wuchsen empor und standen enthüllt – größer als vorher, jeder von doppelter Mannshöhe, gesichtslos, wogend wie brennende Purpurseide.
    Im augenlosen Gesicht des Anführers öffnete sich ein schwarzer Mund; er streckte die Arme nach dem Tor aus und legte die Flammenhände darauf.
    »TOD !«, schrie er, und es war, als erschüttere seine Stimme die Mauern bis in ihre Grundfesten. Die eisernen Angeln begannen zu glühen.
    »Hei ma’akajao-zha!« Die massiven Bohlen verfärbten sich schwarz, und Rauch stieg auf. Josua, den betäubten Deornoth heftig am Arm zerrend, sprang auf die Mauerkrone hinunter.
    »T’si anh pra INELUKI!«
    Schreiend rannten die Soldaten des Prinzen durch die Treppenhäuser nach unten. Es gab eine Explosion von Licht, ein ohrenbetäubendes Krachen, lauter als Trommeln oder Donner. Das mächtige Tor zerbarst zu dampfenden, funkelnden Splittern, und ein tödlicher Scherbenregen zischte herab. Auf beiden Seiten brach die Mauer zusammen und zerschmetterte einige Torwachen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten.
    In die noch rauchende Mauerlücke sprangen gepanzerte Nornen. Manche trugen lange Rohre aus Holz oder Knochen, die sie an einem Ende mit brennenden Fackeln anzündeten. Schreckliche Feuergarben schossen aus diesen Rohren und verwandelten fliehende Soldaten in taumelnde, schreiende Fackeln. Durch die Trümmer drängten sich riesige Gestalten, die Hunen, in den zottigen Fäusten lange, eisenbeschlagene Keulen. Wie tollwütige Bären brüllend, zerschmetterten sie, was ihnen im Weg stand. Zerschlagene Körper stoben wie Kegel nach allen Seiten auseinander.
    Es gab Soldaten, die tapfer der würgenden Furcht Widerstand leisteten und den Kampf aufnahmen. Ein Riese fiel, zwei Speere inden Gedärmen, aber gleich darauf waren auch die Speerwerfer tot, von weißgefiederten Pfeilen durchbohrt. Wie Maden quollen die bleichen Nornen durch den qualmenden Mauerdurchbruch.
    Deornoth zog den stolpernden Josua nach der inneren Burg. Das rußgeschwärzte Gesicht des Prinzen war nass von Tränen und Blut.
    »Elias hat Drachenzähne gesät«, würgte Josua hervor, während Deornoth ihn an einem röchelnden Soldaten vorbeizerrte. Deornoth glaubte, den jungen Ostrael zu erkennen, der bei der Unterredung mit dem König für sie Posten gestanden hatte, begraben unter einem Dutzend schwarzer Bukken. »Mein Bruder hat die Saat für den Tod aller Menschen gelegt!«, tobte Josua. »Er ist wahnsinnig!«
    Noch bevor Deornoth antworten konnte – und welche Antwort, fragte er sich, hätte er schon geben können –, bogen zwei Nornenkrieger, in den Helmschlitzen ein feuriges Glühen, um die Ecke der inneren Burg. Sie schleppten ein schreiendes Mädchen hinter sich her. Als sie Deornoth sahen, zischte der eine etwas, führte das dunkle, schlanke Schwert nach unten und zog dem Mädchen die Klinge durch die Kehle.

Weitere Kostenlose Bücher