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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ist gut, wenn du deinem Prinzen dienst. Siehst ein Stück von der Welt, Junge, wenn du Soldat wirst«, hatte Firsfram ihm erzählt und seinem Sohn die ledrigen Bauernhände auf die Schultern gelegt, während seine Mutter mit roten Augen stumm zugeschaut hatte. »Vielleicht kommst du sogar bis zu den südlichen Inseln oder nach Naglimund, jedenfalls heraus aus diesem verdammten Frostmarkwind.«
    Sein Vater lebte nicht mehr. Letzten Winter war er verschwunden, in jenem grausam kalten Decander von Wölfen verschleppt …Wölfen oder etwas anderem, denn es wurde nie eine Spur von ihm gefunden.
    Und Firsframs Sohn, der das Leben im Süden noch nicht zu kosten bekommen hatte, stand im eisigen Wind auf einer Mauer und fühlte, wie ihm die Kälte bis ins Herz drang.
    Ostraels Mutter und Schwestern hausten mit Hunderten anderer Heimatloser unten in Behelfsbaracken in der dicken steinernen Feste von Naglimund. Die Burgmauern boten weit besseren Schutz vor dem Wind als Ostraels hohe Warte, aber selbst Steinmauern, und mochten sie noch so dick sein, konnten die furchtbare Musik des heranziehenden Sturmes nicht abhalten.
    Unwiderstehlich wurden Ostraels vor Angst geweitete Augen von dem dunklen Fleck angezogen, der brodelnd am Horizont hing und sich im Näherkommen ausbreitete wie Tinte, die man in Wasser gießt. Es war ein Klecks, eine leere Stelle, als hätte man die Wirklichkeit dort fortgerieben, eine Stelle, an der der Himmel selbst umzukippen und die Wolken wie durch einen Trichter nach unten zu pressen schien, wo sie sich in eine langsam dahinwirbelnde Masse verwandelten, der Schweif eines Wirbelsturmes. Von Zeit zu Zeit zuckten helle Blitze durch das Gewitter. Und die ganze Zeit über ließ sich ein grausiges Trommeln vernehmen, fern wie das Prasseln von Regen auf einem festen Dach, hartnäckig wie das Klappern von Ostraels Zähnen.
    Die heiße Luft und die sagenhaften, von der Sonne gesprenkelten Hügel von Nabban kamen Firsframs Sohn immer mehr wie die Geschichten vor, die der Priester erzählte, um Trost zu spenden, einem durchs Leben zu helfen und das Grauen des unausweichlichen Todes zu verschleiern.
    Immer näher kam der Sturm, das Trommeln, von Ferne surrend wie Wespen.

    Deornoths Laterne flackerte in der steifen Brise und wäre um ein Haar ausgegangen; er hielt den Mantel davor, bis die Flamme wieder stetig leuchtete. Neben ihm stand Isorn, Isgrimnurs Sohn, und starrte in die kalte, von Blitzen zerkratzte Finsternis hinaus.
    »Gottes Baum ! Es ist dunkel wie in der Nacht«, stöhnte Deornoth. »Kaum Mittag vorbei, und ich kann fast nichts mehr sehen.«
    Isorn öffnete den Mund, einen dunklen Schlitz im blassen, von der Laterne beschienenen Gesicht, aber es kam kein Ton heraus. Seine Kiefer mahlten.
    »Alles wird gut«, sagte Deornoth, den die Furcht des jungen Rimmersmannes ansteckte. »Es ist nur ein Gewitter – irgend so ein übler, kleiner Trick von Pryrates …« Noch während er es aussprach, wusste er, dass es eine Lüge war. Die schwarzen Wolken, welche die Sonne verdeckten und die Nacht bis vor die Tore von Naglimund schleiften, brachten eine Angst mit sich, die sich wie eine Zentnerlast auf sein Gemüt legte, wie der steinerne Deckel eines Sarkophages. Was war das für eine magische Beschwörung, was für ein Zauber, der ihm diesen eisigen Speer des Grauens tief in die Eingeweide stieß?
    Der Sturm trieb weiter auf sie zu, ein Klumpen Schwärze, der sich auf beiden Seiten weit über die Mauern der Burg ausdehnte und noch die höchsten Zinnen überragte, durchzogen vom blauweißen Flackern der Blitze. Für einen kurzen Augenblick traten die Umrisse der zusammengekauerten Stadt und des Landes ringsum klar hervor, dann versank alles wieder in Finsternis. Die hämmernden Trommelschläge wurden von der Vormauer zurückgeworfen.
    Als der Blitz wieder aufflammte und für einen kleinen Moment das gestohlene Tageslicht nachäffte, entdeckte Deornoth etwas, das ihn auffahren und Isorns breiten Arm so fest umklammern ließ, dass der Rimmersmann zusammenzuckte.
    »Hol den Prinzen«, sagte Deornoth mit klangloser Stimme.
    Isorn sah auf und vergaß über Deornoths merkwürdigem Benehmen die eigene abergläubische Furcht vor dem Sturm. Das Gesicht des jungen Naglimunders war schlaff geworden und leer wie ein alter Mehlsack, und seine Fingernägel kratzten, von ihm selbst unbemerkt, ein blutiges Rinnsal in Isorns Arm.
    »Was … was ist?«
    »Hol Prinz Josua«, wiederholte Deornoth. »Schnell!«
    Der Rimmersmann warf

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