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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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berührte, »schenk mir nur einen Erben, und ich gebe dir Meremund. Ich werde dafür sorgen, dass Fengbald dich in Ruhe lässt. Du kannst den Rest deines Lebens damit zubringen, aufs Meer hinauszustarren.« Er hob die Hand und wischte sich etwas vom Gesicht. »Ich sehe das Meer nicht gern … es erinnert mich an deine Mutter.«
    Noch einmal schlug er gegen die Tür. Das Echo blühte auf und verwelkte. »Ich liebe dich, Miri«, sagte der König leise.

    Das Türmchen an der Ecke der Westmauer hatte das erste Stück aus der Nachmittagssonne herausgebissen. Ein weiterer Kiesel klapperte in die Zisterne und folgte Hunderten seiner Gefährten in die Vergessenheit. Ich habe Hunger, entschied Simon endlich.
    Es wäre kein schlechter Gedanke, überlegte er, jetzt in die Küche hinüberzuschlendern und von Judith etwas zu essen zu erbetteln. Ihm wurde bewusst, dass er seit dem frühen Morgen nichts zu sich genommen hatte. Abendessen würde es erst in mindestens einer Stunde geben. Das einzige Problem war, dass Rachel und ihr Geschwader gerade dabei waren, den langen Speisesaalkorridor und die darunterliegenden Zimmer sauberzumachen, die letzte Schlacht in Rachels aufreibendem Frühjahrsfeldzug. Auf jeden Fall war es besser, den Drachen, soweit möglich, zu meiden und mit ihm alles, was Rachel über das Schnorren von Speisen vor dem Abendbrot zu bemerken haben könnte.
    Nachdem er kurz nachgedacht und dabei drei weitere Steine mit Tick-Tack-Tick in den Brunnen hinuntergeschickt hatte, kam Simon zu dem Ergebnis, dass es sicherer wäre, sich unter dem Drachen hindurchzuschleichen, als ihn in großem Bogen zu umgehen. Der Speisesaal erstreckte sich über die ganze Länge des oberen Geschosses entlang der Seemauer des Hauptturmes der Burg; es würde sehr lange dauern, den Weg über die Kanzlei zu nehmen, um dann auf der anderen Seite bei den Küchen herauszukommen. Nein, die beste Route führte durch die Vorratskammern.
    Er riskierte einen schnellen Satz über den Burghof zum Westportikus des Speisesaales und schaffte es, unbemerkt hindurchzuschlüpfen. Eine Welle von Seifenwassergeruch und das ferne Klatschen der Schrubber beschleunigten seine Schritte, als er in das abgedunkelte Untergeschoss und die Räume mit den Vorratslagern hinabtauchte, die den größten Teil der Fläche unter den Speisesälen einnahmen.
    Da der Fußboden hier gute sechs oder sieben Ellen unter der Höhe der Inneren Zwingermauern lag, drang nur ein ganz schwacher Schein reflektierten Lichtes durch die Fenster. Die tiefen Schatten beruhigten Simon. Weil hier so viel Brennbares lagerte, kamen so gut wie nie Fackeln in die Räume; es bestand nur eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit, dass man ihn entdeckte.
    In dem großen Mittelraum waren zahllose Fässer und Fässchen, mit Eisenbändern zusammengeschmiedet und bis zur Decke gestapelt – eine unbestimmte Landschaft aus rundlichen Türmen und schmalen Durchgängen. Die Fässer konnten alles Mögliche enthalten: Trockengemüse, Käselaibe, Tuchballen aus längst vergangenen Jahren, selbst Ritterrüstungen, die wie glänzende Fische in mitternachtsdunklem Öl schwammen. Die Versuchung, ein paar von ihnen zu öffnen und nachzusehen, welche heimlichen Schätze darin verborgen lagen, war ungemein groß, aber Simon besaß kein Brecheisen, um die schweren, festgenagelten Fassdeckel aufzustemmen, und wollte es nicht riskieren, Lärm zu machen, denn unmittelbar über ihm wischten der Drache und seine Legionen Staub und putzten herum wie die Scheuerfrauen der Verdammten.
    Auf halbem Weg durch den langen, düsteren Raum, auf seinem schmalen Pfad zwischen den Fasstürmen, die vorkragten wie die Strebepfeiler eines Domes, wäre Simon um ein Haar in ein Loch gefallen, hinunter in die undurchdringliche Finsternis.
    Als er überrascht und mit klopfendem Herzen zurücksprang, erkannte er schnell, dass es nicht irgendein Loch war, das da vor ihm im Fußboden gähnte, sondern vielmehr eine geöffnete und zurückgeklappte Falltür. Mit einiger Vorsicht konnte er sie umgehen, obwohl der Weg sehr schmal war. Aber warum stand die Tür offen? Schwere Falltüren sprangen nicht von allein auf, so viel war klar. Wahrscheinlich hatte eine der Haushälterinnen etwas aus einem noch tiefer gelegenen Lagerraum geholt und dann nicht gleichzeitig ihre Last tragen und die Tür wieder schließen können.
    Nur einen Augenblick zögerte Simon, dann kletterte er die Leiter hinunter, die aus der Einstiegsöffnung ragte. Was mochten in dem Raum

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