Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
öffnete ein Auge, musterte Ben und ließ ein langes Schnauben vernehmen.
Ben machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, streckte die Hand aus und sah dem Drachen direkt ins Auge. Ein dunkelrotes, freundliches Auge, das strahlenförmig in einen schmalen, hellblauen Rand auslief.
»Halt!«, schrie Sidhy in diesem Moment. »Der nicht! Der fasst unseren Drachen nicht an!«
Bevor Ben überhaupt verstand, dass er gemeint war, packten ihn drei Jungs und hielten ihn fest.
»Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben.« Hasserfüllt sah Sidhy ihn an, seine Stimme zitterte vor Wut. »Du, du bist hier nicht willkommen!«
Der Griff der Jungen wurde fester, und Cirpas, der älteste von ihnen, erklärte: »Das ist der Rumtreiber Ben, der macht immer wieder Ärger. Ist aber eigentlich harmlos.«
Cirpas war ein großer, bulliger Kerl, der in jeder Rauferei mitmischte und auch gern eine begann. Das Auffälligste an ihm war seine dicke, schiefe Nase mit dem krummen Hubbel an der Wurzel. Der Pechvogel hatte sie sich schon mehrmals gebrochen, er war daheim die Treppe runtergefallen, gegen einen Schrank gelaufen und auch gegen den Türstock. Einmal war er sogar in einen Rechen am Boden getreten, dessen Stiel daraufhin wie ein Katapult hochgeschnellt war, direkt auf die Nase. Das Seltsame daran war, dass an diesen Abenden immer sein Vater betrunken gewesen war, Cirpas niemals, aber trotzdem verletzte sich ständig der Junge. Noch seltsamer fand Ben, dass jeder in Trollfurt diese Geschichten glaubte oder zumindest so tat. Als hätte die offene Wahrheit etwas geändert.
»Ich kenne ihn. Eine Missgeburt ist er, die Missgeburt einer Trollin, einer hässlichen dummen Trollin, jawohl«, keifte Sidhy und deutete mit dem Finger auf Ben.
Ein paar Umstehende grinsten und nickten. »Ja, zeig’s ihm, Drachenreiter.«
»Jetzt ist dir immer noch nichts Neues eingefallen, du hirnlose, schwabbelnde Eiterkreatur!«, konterte Ben, ohne nachzudenken. Warum war der Kerl überhaupt so nachtragend? Das war doch nur eine harmlose Rauferei gewesen, außerdem hatte er schließlich selbst angefangen.
»Raus! Schafft ihn raus!«, giftete Sidhy.
Feuerschuppe hob den Kopf und schnaubte missmutig, der plötzliche Tumult vertrieb alle Behaglichkeit. Niemand streichelte ihn im Moment.
Die drei Jungs gehorchten tatsächlich und zerrten Ben in Richtung Pferdestall. Er ließ es geschehen, denn er wusste, wenn er sich jetzt wehrte, würde es Prügel setzen, und zu Hilfe käme ihm auch keiner. Den anderen aber wohl schon, obwohl sie in der Überzahl waren. Das hatte er schon zur Genüge erlebt.
Gerade einmal einen einzigen Tag war Sidhy nun in der Stadt, doch weil sein Vater einen Reitdrachen besaß, konnte er schon Befehle erteilen. Vielleicht klappte das auch nur, weil sich Sidhy Ben als Opfer ausgesucht hatte, möglicherweise hörten sie ja auch nur auf Sidhy, weil dieser Befehl - »Schmeißt Ben raus!« - auch von ihren Eltern oder eigentlich jedem in Trollfurt hätte kommen können. Andere Jungs mussten sich ihre Position erkämpfen, aber wer kämpfte schon gegen einen Jungen, dessen Freund ein Drache war? So oder so, Sidhy war nun wohl endgültig in Trollfurt angekommen.
Ben blickte so lange zu Feuerschuppe, wie es ging, reckte den Hals nach den flammend roten Schuppen und den freundlichen feuergleichen Augen, die ihm nachsahen. Dann wurde er an wiehernden Pferden vorbeigeschleift, raus in die Sonne.
»He, Ben, was machst du denn hier?«, rief Yanko, der darauf wartete, wieder hinein zu dürfen, und ihn plötzlich entdeckte.
»Ich...«, sagte Ben, aber Cirpas stieß ihn einfach in Richtung Straße: »Weiter!«
»He! Cirpas! Jungs!« Yanko kam angelaufen und hielt sich neben ihnen. »Was soll denn das? Lasst doch Ben einfach auch den Drachen anschauen und die Knubbel reiben. Er kann doch echt ein bisschen Glück gebrauchen.«
»Sidhy will das nicht.«
»Sidhy?« Yanko klang erstaunt. »Ich seh ihn gar nicht. Wenn Sidhy ihn hier nicht haben will, soll er ihn doch selbst rausschmeißen. Oder seine Bediensteten anweisen, das zu tun. Oder seid ihr jetzt seine neuen Diener?«
»Ach, halt die Klappe, Yanko! Ich tu hier nur einem Freund einen Gefallen.«
»So, so, einem Freund«, sagte Yanko und hob die Augenbrauen, dann waren sie auch schon am Tor angelangt. Es stand noch immer offen, doch jetzt war kein Bediensteter mehr zu sehen. Sie stießen Ben auf die Straße, er stolperte und fiel auf Knie und Hände. Die Hände schürfte er sich auf
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