Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
Stahlgittern um das Anwesen, den verschlossenen Stall, die muskulösen Bediensteten, den freundlichen Yirkhenbarg, dessen Freundlichkeit jedoch sicher nicht gegenüber nächtlichen Eindringlingen galt. Er verfluchte den hochnäsigen, widerlichen Feigling Sidhy und verdrosch ihn in Gedanken immer wieder. Das half ihm natürlich nicht im Geringsten weiter.
Die meiste Zeit dachte er jedoch an die schöne Nica, aber auch das führte ihn nirgendwohin. Ja, wäre sie seine Geliebte,
dann könnte sie ihm den Schlüssel für das Tor hinter einem losen Mauerstein verstecken, und Ben könnte so auf das Anwesen gelangen, zu Feuerschuppe und dann zu ihr, und er würde mit ihr fortgehen, am besten mit ihr auf Feuerschuppe davonreiten...
»Denk an deinen Plan!«, ermahnte er sich und schlug mit der Faust gegen die Wand. Was sollten diese romantischen Träumereien? Er hatte ernsthafte Probleme, um die er sich kümmern musste, und eine wuchernde Warze. Wenn er mit Nica in den Sonnenuntergang reiten wollte, dann musste er sie schon entführen, freiwillig käme sie nicht mit. Und auch den Drachen müsste er entführen. Wenn ein armer Schlucker wie er ein Mädchen wie sie gewinnen wollte, dann brauchte er Glück. Und genau hier war er wieder am Anfang angekommen.
Sein Magen knurrte, aber er würde jetzt nicht rausgehen. Erst später, wenn es dunkel war.
Er drehte sich um und starrte auf das große Drachenbild, das er an die Wand gekritzelt hatte. Der Schulterknubbel war schon nicht mehr zu erkennen, die ganze Kohlefarbe fortgerieben, so sehr hatte er versucht, ein wenig Glück durch die Zeichnung herbeizurufen. Natürlich vergebens.
»Ich werde das Glück zu mir zwingen«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
In diesem Moment klopfte es plötzlich an die Tür. Drei schwere Schläge von einer großen Hand. Das war sicher nicht Yanko. Aber wer sollte ihn sonst besuchen?
Manchmal, wenn seine Mutter früher, viel früher, einen guten Tag gehabt hatte und er einen schlechten, hatte sie ihn auf den Schoß genommen und gesagt, er solle nicht traurig sein, irgendwann, wenn er es am wenigsten erwartete, würde
das Glück an seine Tür klopfen. Damals hatte er immer gekichert, denn er fand die Vorstellung lustig, das Glück würde wie ein echter Vagabund von Haus zu Haus wandern, er würde die Tür öffnen, und es sagte: »Hallo, mein Junge, ich bin das Glück. Was kann ich für dich tun?« Also hatte er immer öffnen wollen, wenn es geklopft hatte, aber nur ganz selten hatten Vagabunden vor der Tür gestanden, und nie das Glück.
Wieder klopfte es.
»Ben! Junge! Bist du da?«, fragte eine tiefe Männerstimme.
Ben hatte keine Lust, jemanden zu sehen. Er schwieg.
»Wenn du da bist, mach auf.« Wieder klopfte es. »Wir kommen jetzt rein!«
»Was?«, rief Ben. »Wartet.« Er sprang vom Bett und stolperte, rappelte sich wieder hoch und schlurfte zur Tür. Wenn das nicht wichtig war, dann...
»Hallo Ben.« Vor der Tür standen drei Büttel, das Wort führte der Oberbüttel Gunnadrakh, ein riesiger, bärtiger, bärenhafter Mann mit ungebändigtem dunklem Haar, der eigentlich nur dann ungemütlich wurde, wenn man ihm widersprach.
»Herr Oberbüttel«, sagte Ben und fragte sich, ob ihn jemand beim Apfelklauen gesehen und angeschwärzt hatte. Aber würden die Büttel deshalb zu dritt kommen? »Kann ich Sie hereinbitten?«
»Nein, danke«, brummte Gunnadrakh. »Eigentlich sind wir gekommen, um dich herauszubitten.«
Die beiden anderen Büttel feixten und nickten.
»Warum das? Können wir nicht hier auf der Schwelle reden?«
»Es geht nicht um ein nettes Plauderstündchen, Ben. Wie du sicher weißt, hat Herr Yirkhenbarg die Blausilbermine
oben am Berg gekauft. Und zur Mine gehören auch alle Arbeiterhäuser am linksseitigen Ufer. Als neuer Besitzer hat er uns gebeten, alle widerrechtlich besetzten Häuser zu räumen. Also auch dieses hier.«
»Was?« Ben gaffte die Büttel an. »Aber... aber... ich wohne hier!«
»Du hast hier gewohnt, solange der Besitzer das toleriert hat.«
»Und jetzt? Was soll ich denn jetzt machen?«
»Hast du’s nicht verstanden? Du sollst gehen. Mach Platz für die anständigen Arbeiter, die demnächst kommen werden. Und sei froh, dass Herr Yirkhenbarg so großzügig ist, nicht die Miete für die letzten Wochen zu verlangen. Da hat ihm das Haus nämlich schon gehört.«
Ben konnte es nicht glauben; das musste doch ein schlechter Scherz sein. Hier waren weit und breit keine anständigen Arbeiter zu sehen,
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