Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
schon früher, wenn er Feuerschuppe gehört oder in seiner Nähe gewesen war.
Hastig kletterte er über die Mauer und rannte am Kanalufer entlang, während das Fauchen des Drachen immer wieder erklang, irgendwann nur noch ein Knurren. Was war da nur los?
Schwer atmend erreichte er die Rückseite von Yirkhenbargs Anwesen. Sofort warf er sich neben der kleinen Wasserrinne auf den Bauch und reckte den Kopf in den vergitterten Durchlass, um sich einen Überblick zu verschaffen, was auf dem Grund vor sich ging.
Auf der Rasenfläche hinter den Stallungen umkreisten sich Yirkhenbarg und Feuerschuppe, der Boden war aufgewühlt, die Klauen des Drachen hatten tiefe Furchen in der Erde hinterlassen. Um sie herum standen mehrere Diener mit Knüppeln, einer trug ein grobmaschiges Netz bei sich, sie alle lauerten schweigend und kampfbereit. Yirkhenbargs Hemd war
mit Blut verschmiert, und er führte ein breites, besudeltes Schwert, auf dessen Klinge ein bläulicher Schimmer lag und zugleich ein Schatten. Eine Waffe aus Blausilber und Schattenstahl!
Feuerschuppe fauchte und knurrte, er blutete an der rechten Flanke. Der Drache fletschte die Zähne, seine Augen flackerten voll Wut, er wirkte ganz anders als in den beiden Nächten, als Ben ihn besucht hatte. Zornig, wild und sehr viel gefährlicher.
»So nicht, alter Knabe, so nicht. Du entkommst mir nicht«, keuchte Yirkhenbarg und hielt das Schwert erhoben, bereit, sofort zuzuschlagen. Er atmete schwer, doch trotz allem wirkten seine geschmeidigen Bewegungen gelassen, als hätte er schon oft gekämpft, und er behielt den Drachen stets im Blick.
Was sollte das? Warum kämpften sie?
Ungläubig beobachtete Ben die Szenerie. Da bemerkte er, dass der linke Schulterknubbel des Drachen weiter gewachsen war. Er war nun länger als der Arm eines Mannes und ragte zuckend aus seinem Rücken. Der Ansatz eines Flügels war deutlich zu erkennen.
Rechts, da, wo das Blut dunkel über die roten Schuppen floss, hatte der Knubbel die Größe eines kleinen Kinderschädels und war eine offene Wunde. Ben ließ seinen Blick über den Boden schweifen und entdeckte auf dem befleckten Gras tatsächlich etwas, das aussah, als wäre es der fehlende Flügelansatz.
Feuerschuppe knurrte wie ein in die Ecke gedrängter Bluthund, aber er sagte nichts, kein einziges Wort. Angespannt behielten die Diener ihn im Auge, sie wirkten viel nervöser als ihr Herr.
»Was soll das? Warum lässt Samoth dir wieder Flügel wachsen?
«, fauchte Yirkhenbarg und setzte immer wieder einen Ausfallschritt, täuschte mit dem Schwert Hiebe an. Feuerschuppe wich zurück, attackierte seinen Reiter jedoch nicht. Sein peitschender Schwanz traf beiläufig, wie ungewollt, einen Diener, und schmetterte ihn zu Boden. Knirschend vor Schmerz rappelte sich der Mann wieder auf und torkelte zurück auf seinen Platz. Er hielt sich die Rippen, und der Arm mit dem Knüppel hing kraftlos an der Seite herab.
Im ersten Moment war Ben instinktiv auf Seiten des Drachen, weil er ihn kannte und mochte - und weil sie ihn in die Ecke drängten, so wie er selbst oft genug von einer Rotte Jungen eingekreist worden war. Er erwischte sich dabei, wie er Feuerschuppe einen kurzen Augenblick lang anfeuerte, bis er erkannte, wie unsinnig das war. Und er wollte Drachenritter werden? Das musste ihm noch mehr in Fleisch und Blut übergehen. Yirkhenbarg kämpfte hier nicht gegen seinen Drachen, sondern für ihn, für seine Freiheit. Das musste Ben sich bewusst machen, denn er war nur die Prügeleien zwischen Jungen oder den Kampf gegen ein wildes Tier gewohnt, und da waren die Seiten immer eindeutig verteilt. Wer gewann, gewann. Der Kampf vor seinen Augen war anders, entweder gewannen beide, oder beide verloren. Also umklammerte Ben seinen Glücksgroschen und wünschte Yirkhenbarg den rettenden Schlag und Feuerschuppe möglichst wenig Schmerzen.
Und sein Wunsch ging in Erfüllung: Plötzlich glitt Feuerschuppe im verschmierten Gras aus und rutschte zur Seite. Sofort setzte Yirkhenbarg nach. Blitzschnell schlug er zu und trennte den zweiten Flügelansatz ab. Zuckend fiel er ins Gras und blieb reglos liegen. Der Drache brüllte auf, dann ließ er sich erschöpft zu Boden sinken. Aus seinem Brüllen wurde ein
leises Schnauben. Er schloss das Maul, die Lefzen verdeckten nun wieder die scharfen Zähne.
Yirkhenbarg ließ sich vor dem Drachen auf die Knie sinken. Er rieb ihm fest über die Schnauze und sagte: »junge, Junge, was war denn das? Bist du jetzt wieder
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