Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
Lachen hallte laut in seinen Ohren, grub sich in seinen Kopf.
»Ich lauf vor niemandem weg! Vor niemandem! Ich will Drachenritter werden, und Ihr könnt mir das nicht verbieten!«, schrie Ben. Der Wein in seinem Blut hatte alle Höflichkeit und Vorsicht weggeschwemmt.
»Kann ich nicht? Bist du sicher? Und wie willst du es ohne mich schaffen? Jagst mit einem Holzschwert Hühner und bildest dir ein, die Federn wären Schuppen?« Der Ritter musterte ihn belustigt, und der Knecht schlug mit seinen angewinkelten Armen und imitierte ein Huhn: »Gak! Gak, gak, gak!«
»Nein! Ich schaff das!«, stieß Ben hervor. »Ich schaff das allein. Dafür brauch ich keine Hilfe von einem angeberischen, würfelnden Hunderitter!«
Mit einem Schlag verstummten die Leute um sie her. In den anderen Ecken der Wildsau wurde noch getrunken und gelacht, aber hier war es damit vorbei. Niemand beleidigte einen Drachenritter und Gast des Bürgermeisters, zumindest niemand wie Ben.
Ihm war das aber in diesem Moment egal. Der trübsuppige Ritter hatte doch angefangen!
»Wie hast du mich eben genannt?« Die Stimme von Ritter Narfried war eiskalt.
»Hunderitter!«, wiederholte Ben und wurde von einer plötzlichen Euphorie gepackt. Im Beleidigen war er gut, das hatte er oft genug an Byasso geübt. Diesem Ritter würde er es zeigen. »Das habt Ihr doch selbst gesagt. Ihr habt einem Tuchhändler einen kleinen grünen Wachhund gefangen und Euch dabei beißen lassen. Ha! Tut’s noch weh? Soll ich mal pusten?«
Kurz sah es so aus, als würde der Drachenritter ihn auf der Stelle verprügeln, dann zwang sich der Mann zu einem Lächeln. »Kleiner Junge. Jag doch einfach weiter große, böse Wölfe. Du wirst niemals ein Drachenritter, das verspreche ich dir. Niemals! Dafür werde ich sorgen. Und jetzt verzieh dich. Aus meinen Augen!«
Yirkhenbargs triefnasiger Knecht sprang auf und packte Ben am Arm, andere Gäste griffen nach ihm, krallten sich in sein Hemd und seine Haut und zerrten Ben weg von Narfried. Sie stießen ihn in die Rippen, klatschten ihn gegen den Hinterkopf und schoben ihn Richtung Ausgang.
»He! Wir haben doch gerade erst angefangen!«, protestierte Ben.
»Angefangen? Ich sagte, ich bin fertig mit dir!«, rief Narfried und wandte sich demonstrativ ab und seinem Bierkrug zu.
Johlend bugsierten große betrunkene Hände Ben weiter in Richtung Ausgang.
»Das wird Euch noch leid tun«, knurrte er. »Das wird Euch noch furchtbar leid tun!« Dabei wusste er selbst nicht, ob er den Ritter meinte oder die Trollfurter, die ihn mit sichtlichem Vergnügen aus der Wildsau warfen. Es war ihm auch egal, alles war ihm egal, und er wollte nur, dass es einfach irgendwem leid tat, dass nur irgendwer außer ihm noch Ärger bekam. Er wollte irgendwem Rache dafür androhen, dass er es eben selbst versaut hatte.
»Verschwinde!« Sie warfen ihn in die dunkle Nacht und gaben ihm noch einen Tritt mit. Er stolperte und stürzte auf die Straße. Die Tür schloss sich hinter ihm und dämpfte das Lachen der Gäste.
Verzweifelt kämpfte sich Ben auf die Beine und taumelte in Richtung Stadttor. Er war müde und erschöpft, aller angetrunkene
Mut war dumpfer Traurigkeit gewichen. Er zitterte. Wie hatte er nur einen Drachenritter so beschimpfen können?
Dann murmelte er wieder Flüche auf den Ritter vor sich hin. Warum hatte dieser ihn so schnell beleidigt und behandelt, als wäre er irgendein Sumpftaucher? Er kannte Ben doch gar nicht. Was war an seinem Wunsch, Drachenritter zu werden, denn so verwerflich? Er konnte doch nichts für die Wünsche anderer Jungen in anderen Städten. Jeder sollte die Chance bekommen, etwas aus sich zu machen, und nicht einfach weggeschoben werden. Wie sollte er sonst Nicas Herz gewinnen?
Ben versuchte einen Stein in den Straßengraben zu treten, aber er traf ihn nicht. Verdammt, er war wirklich zu nichts nutze! Und Ritter Narfried hatte das eben sofort erkannt und ihm deshalb gleich alle Hoffnung nehmen wollen. Was bildete er sich auch ein?
Ben, der Drachenritter. Ha! Ben, der Größenwahnsinnige, Ben, der Anmaßende - das passte schon besser.
Oder hatte der Drachenritter das alles gar nicht so gemeint? War das vielleicht eine erste Prüfung gewesen? Sollte Ben beweisen, dass er hartnäckig war?
Das war’s! Er sollte zeigen, dass er sich nicht sofort entmutigen ließ! Und genau das würde er tun - morgen würde er es einfach noch einmal versuchen. Ohne vorher zu trinken. Er würde Fragen stellen und nicht fordern. Und
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