Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
größer.
Und deshalb kann man sagen, dass meine Arbeit jede Menge Kraft und Geschick erfordert, eine hohe Fertigkeit im Umgang mit dem Schwert und sicherlich auch eine gehörige Portion Mut, aber die meiste Tapferkeit wird von den Jungfrauen verlangt, die sich ganz in die Hände von Ritter und Drache begeben. Versagt der Ritter, ist er einmal auch nur einen Augenblick zu spät oder verliert gar den Kampf, ist es um sie geschehen, dann hat der Drache sie mit seinen Klauen aufgeschlitzt. Und sie hat keinerlei Möglichkeit, sich selbst zu wehren oder davonzulaufen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, ob ich diesen Mut aufbringen würde.«
»Meinen Respekt, meinen aufrichtigen Respekt, Jungfrau
Ivallya«, sagte der Bürgermeister, und er klang wirklich beeindruckt.
Ben dagegen war vor allem von der Schilderung des Kampfes gefangen. Egal, wie sehr Narfried Ivallyas Tapferkeit herausstellte, Ben wollte Drachenritter werden, nicht Jungfrau! Schließlich war er ja kein Mädchen; Mädchen konnten vielleicht von einer Karriere als Jungfrau träumen.
Natürlich war ihre Hingabe und Tapferkeit bewundernswert, aber Ben wollte nicht wehrlos sein, er wollte nicht zur Tatenlosigkeit gezwungen sein, er wollte kämpfen. Seine Taten sollten dazu beitragen, dass aus mordgierigen Bestien so sanfte und herrliche Wesen wie Feuerschuppe wurden. Er würde gefesselte Jungfrauen wie Ivallya beschützen und Drachen retten. Es drängte ihn, diese wundervollen Geschöpfe von ihrem Fluch zu befreien. Es war ihm nun endgültig nicht mehr genug, Äpfel zu klauen und Fische zu fangen, er musste einfach ein Drachenritter werden! Jetzt und nicht irgendwann, er hatte das ohnehin schon viel zu lange vor sich hergeschoben.
Und als er die angespannten Gesichter von Yanko und Byasso sah, erkannte er, dass er mit diesem Wunsch nicht allein war.
»Wird ein Ritter auch von einer Jungfrau begleitet, wenn er nicht auf der Jagd ist?«, fragte da der Bürgermeister ganz beiläufig.
»Manchmal«, antwortete der Ritter ausweichend. »Man weiß ja nie, was unterwegs geschehen mag. Aber lasst uns darüber morgen reden, Ivallya und ich sind ja noch eine Weile hier, und wir sind doch redlich erschöpft von der Reise. Nichtsdestotrotz sind wir auch neugierig. Wollt Ihr nicht ein wenig das Reden übernehmen und uns etwas über Trollfurt erzählen? Wie ist
es derzeit um den Tempel des allerhöchsten Hellwah bestellt, und wie gehen die Arbeiten an der Mine voran? Der Besitzer soll ein Drachenreiter sein, habe ich gehört...«
»In der Tat, das ist er. Darf ich Euch jedoch zuerst noch ein wenig Wein nachschenken?«
»Gern«, sagte der Ritter.
Ben schüttelte den Kopf. Warum mussten Würdenträger manchmal so gestelzt um alles herumreden? Er verstand das einfach nicht. Wie sollte ein kampferprobter Ritter denn davon erschöpft sein, auf einem Kutschbock gesessen zu haben und durch die Gegend gezuckelt zu sein. Er war nicht einmal selbst gelaufen.
»Ist das jetzt auch wieder Politik?«, flüsterte er fast lautlos, und Byasso nickte.
Bevor er noch mehr sagen konnte, erklang draußen ein tiefes Grollen, wie ein fernes Gewitter. Auch wenn die alten Mauern alles dämpften, erkannte Ben doch sofort das tiefe, kehlige Fauchen, das sich zu einem wütenden Brüllen steigerte. Feuerschuppe!
»Was ist das?«, rief der Ritter. Dem Getrappel und Geschepper aus dem Schlauch nach war er aufgesprungen. Vielleicht auch die Jungfrau Ivallya, die jedoch auch jetzt nichts sagte.
»Der Drache des Minenbesitzers«, erwiderte Bürgermeister Odhulan ruhig.
»Seid Ihr sicher?«
»Ganz sicher.«
»Schreit er üblicherweise so, oder hat er einen schlechten Tag?«
»Es muss wohl ein schlechter Tag sein. Was dachtet Ihr, was es ist?«
»Nichts, nichts«, murmelte Narfried.
Da stimmt irgendetwas nicht , dachte Ben.
»Ich muss weg«, flüsterte er und schlich aus dem Raum. Er hörte nicht, ob einer der beiden etwas hinter ihm herwisperte, auf jeden Fall folgten sie ihm nicht.
Wieder erklang das wilde Fauchen Feuerschuppes.
Ein Kribbeln lief Bens Rückgrat entlang, die Härchen auf seinem ganzen Körper stellten sich auf. Er tastete sich durch den dunklen Gang und fand die Verriegelung der Geheimtür, die innen nicht verborgen war. Er schlüpfte in den Vorratskeller hinaus, drückte die Geheimtür hinter sich zu und eilte zur Klappe, hangelte sich hinaus und spurtete zur Rückseite des Grundstücks.
Feuerschuppe brüllte.
Wieder lief ein feines Kribbeln über Bens Körper, so wie
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