Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
helle, dünne Haar war frisch gekämmt, und auf Oberlippe und Kinn zeigte sich ein erster, spärlicher Bartflaum, den er anscheinend mit Kohle gefärbt hatte, um ihn zu betonen. Zielstrebig schritt er auf die Brücke zu und ließ den Blick über die kleinen, heruntergekommenen Häuser im linksseitigen Trollfurt schweifen.
»Was für ein erbärmlicher Anblick«, sagte er mit näselnder Stimme und musterte dann Ben ebenso abschätzig. »Wirklich ganz und gar erbärmlich.«
Ben starrte ihn voller Abneigung an. Und weil er nicht sicher war, ob der Junge vielleicht sogar ihn meinte, fragte er mit kalter Stimme: »Sprichst du etwa mit mir?«
»Mit dir? Sehe ich aus, als würde ich mit jemandem wie dir reden?« Irritiert maß der blasierte Junge Ben von oben bis unten.
Ben sprang auf die Füße. Er hatte sich so viele neue Beschimpfungen für Byasso überlegt, sie kreisten in seinem Kopf, warteten ungeduldig darauf, ausgesprochen zu werden, da kam ihm dieser aufgeblasene Wicht gerade recht. Was hatte der überhaupt auf der Brücke zu suchen? Er sah wirklich nicht aus, als gehörte er auf die linke Dherrnseite. Wenn er nur hergekommen war, um Ärger zu machen - den konnte er haben. Natürlich waren die kleinen, heruntergekommenen Häuser schäbig, doch ein Fremder von der rechten Seite hatte kein Recht, das zu sagen.
»Nein«, sagte Ben also, und begann ganz langsam: »Du siehst eher aus wie jemand, der überhaupt nicht reden kann. Eine von diesen kleinen niedlichen Kinderpüppchen, mit denen die
vornehmen kleinen Mädchen aber nicht mehr spielen wollen, wenn sie merken, dass es auch echte Menschen gibt.«
Erstaunt öffnete der fremde Junge den Mund und starrte ihn an.
»Mach die Klappe wieder zu, es stinkt«, fuhr Ben fort, weil der andere nichts sagte. »Was hast du heute gefrühstückt? Einen Schweinestall? Oder läuft es bei dir alles andersrum, und du schiebst dir das Essen in den Hintern und verdaust mit dem Kopf?«
»Wo ich herkomme, werden die Bälger von Knechten für so etwas ausgepeitscht.« Der Junge war blass geworden, sein Kinn zitterte.
»Und wo soll das sein? Im Darm eines Drachen, der Durchfall hat?«
»Halt’s Maul, du Missgeburt einer Trollin, oder ich verpass dir eine!«
»Du mir? Noch so ’n Spruch, Nasenbruch!«
»Missgeburt!«
»Warzenkopf!«
»Missgeburt!«
»Nisten in dem Hohlraum zwischen deinen Ohren eigentlich Vögel oder eher Fledermäuse?«
»Missgeburt! Missgeburt! Missgeburt einer Trollin!«
»Sag mal, musst du dich immer wiederholen? Oder kennst du auch noch andere Wörter?«, grinste Ben überlegen. Das lief ja bestens. Die Wortgefechte mit Byasso gewann er nie so leicht.
»Ich schlag dich zu Brei!«
»Na also, geht doch«, sagte Ben, und der Fremde schlug tatsächlich zu.
Ben wich aus und packte den anderen am Kragen. Der trat
ihm gegen das Schienbein. Ben stieß ihn zurück und sprang hinterher. Er traf ihn mit der Schulter an der Brust und warf ihn zu Boden, taumelte selbst und kam auf ihm zu liegen. Ineinander verkeilt rollten sie auf der Brücke hin und her. Der Warzenkopf versuchte tatsächlich, ihn zwischen die Beine zu treten, aber Ben konnte den Tritt abblocken.
»Schneckenschleim«, presste er hervor, stieß den anderen gegen die Mauer und wälzte sich weg. Er sprang als Erster auf die Beine und spuckte ein bisschen Blut. Nicht wild, er hatte sich wohl auf die Lippe gebissen. »Was ist? Wo ist meine Abreibung? Ich dachte, du wolltest mir eine verpassen.«
Der andere Junge rappelte sich mühsam auf und hielt sich den Hinterkopf. In seinen Augen glitzerten Tränen. »Dafür wirst du büßen!«
»Sind das Abschiedstränen? Kriechst du wieder in deinen Drachendarm zurück?«
»Missgeburt!« Schniefend rannte der Junge davon. »Oder rennst du heim zu deiner Mami?« Was für ein hochnäsiger Jammerlappen. Fing nach ein paar Beleidigungen eine harmlose Rauferei an, versuchte dann aber feige, ihm das Knie zwischen die Beine zu rammen. Und heulte rum, wenn er trotzdem verlor. Wenn jeder so flennen würde, der eine kleine Rauferei verliert, dann gäbe es ständig Hochwasser in Trollfurt. Ben bückte sich und hob einen hellen Messingknopf auf, der vom Hemd des anderen abgerissen sein musste. Zufrieden steckte er ihn ein.
Als Yanko kam, war er enttäuscht, dass er die Rauferei verpasst hatte. Ben beschrieb den Jungen, aber auch Yanko kannte ihn nicht. Also wandten sie sich wieder wichtigeren Dingen zu und suchten Byasso.
Sie fanden ihn außerhalb der Stadtmauer,
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