Der Drachenthron: Roman (German Edition)
kämpften sich durch den Stechginster, der zu beiden Seiten des Pfades wuchs, doch der Großteil lief einfach den Weg hinab. Eine Handvoll rannte sogar auf Schneeflocke zu und duckte sich zwischen ihren Beinen hindurch. Der Drache ließ den Schwanz über die Erde sausen und spie gleichzeitig eine Feuersalve den Pfad entlang. Kemir warf einen Blick über die Schulter. Ein Soldat war tödlich getroffen und flog in hohem Bogen durch die Luft. Ein anderer rettete sich in den Stechginster und war immer noch am Leben. Ein dritter hatte auf wundersame Weise Schneeflockes Schwanz ausweichen können, aber der Drache schnappte ihn sich, als er fast schon in Sicherheit war, und schnalzte mit der Schwanzspitze so hart gegen seinen Hals, dass der Mann regelrecht geköpft wurde.
Hinter ihm stieß Nadira einen markerschütternden, schrillen Schrei aus. Kemirs Finger machten sich wieder am Geschirr zu schaffen und rissen an den Riemen, die ihn auf Schneeflockes Rücken festschnallten. Der wilde Zorn war schier überwältigend. Er musste einfach kämpfen.
Schneeflocke stellte sich auf die Hinterläufe, trampelte den Pfad hinunter und schnappte sich im Vorbeigehen die Soldaten. Einen zermalmte sie, schleuderte den nächsten hoch in die Luft und stopfte sich den dritten ins Maul, wobei sie so heftig zubiss, dass seine Rüstung zersplitterte.
Zu guter Letzt schaffte es Kemir, sich zu befreien. Er schlitterte an Schneeflockes Flügel und dann an ihrem Bein hinab, bevor er mit einem dumpfen Aufprall am Boden landete, beinahe zertrampelt wurde und unter Schneeflockes peitschendem Schwanz hindurchtauchte. Doch nichts davon spielte eine Rolle. Die Wut des Drachen hatte ihn gepackt, und keine anderen Gefühle waren mehr wichtig. Kemir rappelte sich wieder auf, sprang in die Ginsterbüsche und setzte einem flüchtenden Soldaten nach. Sein Bogen war immer noch an Schneeflockes Sattel festgeschnallt, und auch das störte ihn nicht. Er wollte die Männer nicht von hinten erschießen. Er wollte sich nicht um die köstliche Freude bringen, ihnen seine Messer ins Fleisch zu jagen.
Der Stechginster war unwegsam, und die Soldaten trugen schwere Rüstung. Der Mann, auf den es Kemir abgesehen hatte, strauchelte. Der Söldner brüllte und warf sich auf ihn, rang ihn nieder und hackte mit dem Messer auf ihn ein. Die Rüstung des Soldaten bestand aus Drachenschuppen, denen ein Messer nichts anhaben konnte, egal wie fest man zustieß, aber jede Rüstung wies Spalten auf. Am Schritt, hinter den Knien und Ellbogen, am Hals. Der Soldat taumelte auf die Beine, hob einen Arm, um Kemir abzuwehren und wollte mit dem anderen sein Schwert ziehen. Kemirs erstes Messer traf die Achsel des Soldaten und bohrte sich tief in seine Schulter. Der Soldat öffnete entsetzt den Mund, und Kemir rammte ihm sein anderes Messer in die Kehle. Als der Soldat zu Boden ging, riss Kemir beide Klingen wieder heraus, jubelte vor Entzücken und sah sich nach einem neuen Opfer um. Schneeflocke war jetzt etwa hundert Meter den Pfad hinabgetrottet. Sie blieb stehen und spie eine Feuersalve über die Büsche.
Da erinnerte sich Kemir an den Soldaten, der in den Stechginster gesprungen war, um Schneeflockes Schwanz auszuweichen.
Lebend. Wir brauchen einen lebend . Nur mit größter Not bekam er diesen Gedanken durch den Schleier aus Mordlust zu fassen, der seinen Verstand benebelte.
Nadira war ebenfalls von Schneeflockes Rücken gesprungen. Kemir entdeckte sie im Ginsterbusch, wo sie einen schweren Stein hob und ihn mit aller Gewalt hinabsausen ließ. Er sah nicht, was sie da zertrümmerte. Höchstwahrscheinlich einen Kopf .
Jetzt waren keine weiteren Soldaten mehr zu sehen. Sie waren alle irgendwo zwischen den Dornbüschen verschwunden, die meisten zerschmettert oder durch Schneeflockes ohnmächtigen Zorn verbrannt. Wenn einer von ihnen noch am Leben sein sollte, versteckte er sich. Aber einem Drachen konnte man nicht entkommen.
»Sie kann eure Gedanken hören«, rief Kemir. »Ihr könnt euch nicht vor ihr verstecken.«
Der Drache hatte aufgehört, die Soldaten abzufackeln. Mit stampfenden Schritten kam Schneeflocke den Pfad herabgetrottet, brachte die Erde zum Erzittern, und polterte an Kemir vorbei zu den Überresten der brennenden Wagen.
Alchemisten. Wo sind sie? Der Drache gab keinen Laut von sich, doch der Gedanke dröhnte so laut in Kemirs Kopf, dass er gepeinigt zusammenfuhr. Er ging ebenfalls zurück zu den Wagen. Schneeflocke durchwühlte die Büsche, zog mit den Klauen die
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