Der Drachenthron: Roman (German Edition)
roch. Als er den Sack ganz wegziehen wollte, fühlte es sich an, als würde er sich mit toten Speckschwarten schlagen. Seine Arme droschen auf ihn ein, schienen einen eigenen Willen zu haben. Sie gehorchten seinen Befehlen nicht mehr. Seine Finger konnte er überhaupt nicht bewegen. Er versuchte zu schreien, aber alles, was er herausbrachte, war ein heiseres Röcheln. Hier draußen auf dem Balkon würde ihn niemand hören.
Froschblütensaft. Er hat mich gelähmt.
Er trat mit den Füßen um sich. Wenigstens das gelang ihm noch. Zwar hoffnungslos unkoordiniert, aber zumindest konnte er sie bewegen. Nach ein paar Minuten war es ihm gelungen, sich einige Zentimeter vorzuschieben. Erschöpft gab er auf. Wenn überhaupt wurde die Taubheit schlimmer, und je mehr er sich anstrengte, desto tiefer atmete er die Dämpfe ein.
Shezira . Zeit und Raum verschwammen. Er war nicht einmal mehr sicher, wo er sich befand. Irgendwann hatte er das Gefühl gehabt, als zögen ihn starke Arme hoch. Sie mussten ihm auch den Sack vom Kopf gerissen haben, denn er konnte wieder Sterne sehen. Und Gesichter.
Shezira . Sie war die Einzige, der er noch vertrauen konnte. Die Einzige, die ihm helfen konnte. Selbst nach all den Dingen, die sie sich angetan hatten, nach allem, was er ihr angetan hatte, würde sie das Richtige tun. Sie besäße die Stärke, die ihm fehlte.
Er versuchte sich zu wehren, aber die Gedanken drangen nicht über sein Bewusstsein hinaus, während der Rest seines Körpers in friedvoller Benommenheit schlummerte.
»Shezira …«
65
Rauch und Gift
K emir drehte sich um und rannte los, sprintete in Richtung der Höhlen und Drachen. »Nicht!«, schrie er. »Aufhören! Fresst die Soldaten nicht auf!«
Er kam zu spät. Natürlich kam er zu spät. Reiter Rotznase hätte ihm nichts verraten, wenn auch nur die geringste Gefahr bestünde, dass Kemir das Unheil aufhalten könnte. Alle Drachen hatten blutverschmierte Schnauzen. Es lagen immer noch ein paar Leichen am Fluss, aber es waren sicherlich viel mehr Tote gewesen. Kemir ballte vor wutentbrannter Verzweiflung die Hände zu Fäusten. Keine Rüstung, kein Schwert. Ich hätte ihn aufschlitzen sollen.
Und das war genau der springende Punkt. Das war der Grund, weshalb Reiter Rotznase es ihm auf die Nase gebunden hatte. Weil ich ihn hatte. Weil er mir für einen kurzen Augenblick, ohne ein Schwert in der Hand, völlig ausgeliefert war. Weil ich ihn diesmal hätte aufschlitzen können . Und jetzt bin ich zu spät dran und lass ihn auch noch entkommen. Verdammt! Die Erkenntnis ließ ihn erneut die Hände ballen und laut aufschreien.
»Sie sind vergiftet«, rief er, als Schneeflocke und der Aschgraue innehielten und ihn neugierig beäugten. Die anderen drei Drachen verstanden ihn nicht. Sie taten immer noch alles, was man ihnen befahl, egal ob der Befehl von einem Reiter auf ihrem Rücken oder einem anderen Drachen in ihrem Kopf kam.
Schneeflocke spuckte einen halben Ritter aus. Wie können sie vergiftet sein?
»Keine Ahnung.« Kemir zeigte zurück zum Fluss. »Dort war ein Reiter. Er ist im Fluss an Euch vorbeigetaucht. Er hat es mir gesagt.«
Der Aschgraue hob den Kopf und schnaubte eine Feuersalve in den Himmel. Vielleicht hat er gelogen .
»Ja, vielleicht.« Kemir zuckte mit den Schultern. »Wartet ab und findet es heraus, wenn ihr wollt. Oder macht euch auf den Weg und sucht und fragt ihn. Zuletzt habe ich ihn ein paar hundert Meter in dieser Richtung gesehen, hinter den Felsen dort. Er wollte zum Wald. Er kann nicht weit gekommen sein.« Er hat Sollos ermordet .
Die Drachen schwiegen. Der Aschgraue stampfte mit dem krallenbesetzten Fuß auf und brachte die Erde zum Erbeben. Als er und Schneeflocke schließlich in Richtung der Bäume trotteten, erzitterte das gesamte Tal. Die an – deren drei Drachen kehrten zu den Feuern vor den Höhleneingängen zurück. Kemir blickte nervös zu den steilen Felshängen, die sich bedrohlich über ihnen abzeichneten, und fragte sich, ob sie womöglich durch die Erschütterung auf sie herabstürzen würden. Sobald er überzeugt war, dass keine Gefahr drohte, rannte er hinter Schneeflocke her. Das hätten sie tun sollen. Nicht Feuer, sondern Steine. Den ganzen Gebirgszug zum Einsturz bringen. Wäre das überhaupt möglich?
Er erreichte die Stelle, an der er auf Semian gestoßen war, schnappte sich seinen Bogen und legte einen Pfeil auf – nur für alle Fälle. Der Aschgraue und Schneeflocke waren nun am Waldrand und erhoben sich
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