Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Feuerschwall nieder.
Dann schoss der Aschgraue auf sie zu, und Schneeflocke wich zurück und überließ sie ihm. Die anderen drei Drachen, die sie im Nest vorgefunden hatten, hielten bei dem, was sie gerade taten, inne und beobachteten das Spektakel. Noch während sich der Aschgraue um die restlichen Soldaten kümmerte, kam einer der neuen tapsend näher, schnappte sich einen Leichnam und schlang ihn mit einem Bissen hinunter. Der Aschgraue drehte sich um und fauchte lautstark. Für einen kurzen Moment, während die Drachen in Angriffsposition gingen, waren die verbliebenen Wachen vergessen. Dann senkte der andere Drache den Kopf und schlich unterwürfig fort.
Binnen einer Minute waren alle Soldaten tot. Es gelang ihnen nicht einmal, eine einzige Armbrust aufzustellen. Kemir war nicht sicher, ob sie es überhaupt versucht hatten. Es machte fast den Eindruck, als hätten sie ihr Schicksal akzeptiert und zögen es vor, schnell im Kampf zu sterben, als langsam zu ersticken. Er streckte sich und schlenderte gemütlich zum Schlachtfeld, für den Fall, dass es noch etwas zu erbeuten gab. Nichts Besonderes wahrscheinlich, da die Männer alle nackt waren, aber vielleicht stieß er auf einen Ring oder Talisman an einer Kette. Andererseits wäre es natürlich sinnlos, die Toten hier zu berauben. Selbst wenn er etwas fand, was wollte er dann damit tun? Er starrte zum Fluss, in dem Leichen und Schilde trieben. So unnütz …
Einer der Schilde bewegte sich. Zuerst glaubte Kemir, seine Augen würden ihm einen Streich spielen, doch als er stehen blieb und genau hinschaute, sah er Füße, die unter den Drachenschuppen hervorlugten. Und strampelten.
Langsam zog er einen Pfeil aus seinem Köcher und spannte den Bogen. Er schoss den Pfeil genau in die Mitte des Schildes. Selbst aus einer so kurzen Distanz bohrte er sich nicht tief in die Schuppe, aber es genügte. Das Wasser schäumte und spritzte, und auf einmal kletterte ein Mann am anderen Ufer ans Land. Kemir riss einen zweiten Pfeil heraus und starrte sein Gegenüber verblüfft an.
»Du! Mörder!«
Reiter Semian starrte zurück. Abgesehen von einem langen, dicken Hemd, das ihm bis zu den Knien ging, und einem Gürtel, in dem sein Schwert steckte, war er nackt. Er hielt immer noch seinen Schild fest, und ein Fläschchen hing an einer Kordel um seinen Hals. In der einen Hand hatte Kemir einen Pfeil, in der anderen seinen Bogen. Semian war nur wenige Meter entfernt, aber der Fluss war dennoch zu breit, um einfach hinüberzuspringen. Kemir grinste.
»Du bist ein toter Mann.« Den Blick fest auf den Reiter gerichtet, legte er geschickt den Pfeil an die Bogensehne. »Du kannst mich mit deinem Schwert nicht erreichen, müsstest aber andererseits viel weiter weg sein, damit ich dich verfehle. Was ist nur los mit dir? Bist du ein solcher Feigling, dass du nicht wie die anderen deinem Schicksal ins Auge sehen wolltest? Oder war allein das der Zweck des Ganzen? Sollten sie alle sterben, all die unbedeutenden Soldaten, sodass du, ein Reiter , weiterleben kannst?« Er spannte die Sehne.
Semian sprang hinter seinen Schild, und Kemir konnte nur noch seinen Kopf sehen. »Für wen arbeitest du, Söldner? Wer hat dich gekauft?«
»Niemand.« Kemir lachte. »Zum ersten Mal seit viel zu vielen Jahren. Ich begleiche lediglich eine alte Rechnung.« Er hätte fortfahren können – hätte dem Reiter erklären können, warum er Schneeflocke half, wie Drachenritter seine Familie, seine Freunde und alles, was ihm lieb und teuer gewesen war, zerstört hatten. Beim Töten eines Mannes gab es gewisse Gepflogenheiten, und eine davon lautete, dass man seinem Opfer darlegte, warum es sterben musste.
Aber andererseits hatte Semian keinerlei Zuvorkommenheit verdient, also ließ Kemir den Pfeil einfach losschnellen.
Semian riss den Schild hoch, der mächtig erzitterte, als sich der Pfeil genau vor seinem Gesicht in die Drachenschuppe bohrte.
Kemirs Arm schnellte in die Höhe und schnappte sich einen weiteren Pfeil. Im selben Moment machte Semian einen riesigen Satz in die Mitte des Flusses. Noch in der Luft drehte er den monströsen Schild und schleuderte ihn Kemir entgegen. Als er seinen zweiten Pfeil auflegte, duckte er sich gleichzeitig und wirbelte zur Seite, doch der Schild war so groß, dass er die Spitze des Bogens traf und ihn Kemir fast aus der Hand gerissen hätte. Er ließ den Pfeil fallen und wäre beinahe gestürzt.
Sobald er das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, kletterte der Ritter
Weitere Kostenlose Bücher