Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Grund hatte er sich nicht angeschnallt. Er wusste nicht, weshalb er etwas derart Wichtiges vergessen haben könnte. So etwas würde nur Antros tun, auch wenn er es nicht vergessen hätte. Er tat diese unvernünftigen Dinge mit voller Absicht und nannte Hyram dann spöttisch einen Feigling. Und kam immer damit durch.
Das Mädchen packte ihn. Er konnte sich nicht einmal an ihren Namen erinnern, aber sie musste von ihrem eigenen Drachen gesprungen und auf dem Rücken seines Reittiers gelandet sein, und jetzt zerrte sie an ihm.
Hyram taumelte stark und stolperte zur Balkonbrüstung. Shezira fing ihn auf, kurz bevor er auf den Boden knallte, und ließ ihn wieder los, als er sie mit aller Gewalt von sich schob.
»Wenn Ihr nicht verantwortlich seid, wer dann?« Aber sie konnte in seinen Augen sehen, dass er ganz woanders war, weit, weit weg.
»Geht von meinem Drachen runter«, brüllte er sie an. »Fort mit Euch! Bleibt auf Eurem eigenen!« Sie wich zurück. »Ja, das ist besser. Geht zurück, wo Ihr hingehört. Geht weg!«
Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie hatte Hyram schon sehr oft betrunken erlebt. So jedoch noch nie. »Hyram? Wenn Ihr die Wachen nicht geschickt habt, wer war es dann? Zafir?«
»Zafir?« Er sah Shezira völlig ausdruckslos an, als hörte er den Namen zum ersten Mal. »Prinz Tyan hat mir das hier angetan. Und dieses kleine Miststück Aliphera, mit ihren funkelnden Augen und dem eiskalten Herzen. Sie hat es getan. Und Antros, der immer die Sonne versperrt, egal wo ich stehe. Ihr könnt ihn ruhig haben. Nehmt ihn und lasst mich in Frieden, Ihr alle.« Er taumelte erneut.
»Aliphera ist tot, Hyram. Tyan ist verrückt. Antros ist vor fünfzehn Jahren gestorben. Wovon redet Ihr?«
»Vom Tod.« Für einen kurzen Moment ruhten seine Augen auf ihr. »Vom Tod, Shezira. Das Leben gleicht einem Rad, das durch die Zeit rollt, und manchmal bleiben kleine Dinge daran hängen. Sie bleiben am Rad kleben und tauchen wieder auf, wenn man am wenigsten damit rechnet. Es tut mir leid, dass ich Euch an sie verraten habe. An Aliphera und Tyan.« Er streckte den Arm nach ihr aus, riss dann jedoch die Augen weit auf, und sie wusste, dass er zurück an jenem Ort war, der von ihm Besitz ergriffen hatte. Eine Tür schloss sich hinter seinem Gesicht. Er würde nicht mehr zurückkommen.
Shezira schüttelte den Kopf und schürzte die Lippen. »Ihr meint Jehal und Zafir, nicht wahr? Es tut mir auch aufrichtig leid, Hyram. Es tut mir für Euch leid, aber dafür habe ich im Moment keine Zeit. Was auch immer sie …« Hyrams Gesicht war vor panischem Entsetzen wie erstarrt. Er starrte an ihr vorbei.
»Verschwindet! Verschwindet!«
Etwas flatterte an ihr vorbei und flog zu Hyram. In der Dunkelheit konnte sie nicht ausmachen, was es war. Vielleicht ein Vogel, doch er glitzerte golden und machte ein sonderbares Geräusch beim Fliegen, das sich mehr wie ein Klappern von Metall als ein Flattern von Federn anhörte. Er schwirrte um Hyrams Kopf.
»Weg da!« Er schlug mit den Armen, stolperte auf die Brüstung zu.
Shezira machte einen Schritt auf ihn zu. Irgendwo im Turm war entsetzlicher Lärm ausgebrochen. Der immer näher kam.
»Weg da! Verschwindet von meinem Drachen!«
Er würde fallen.
»Hyram!« Sie stürzte sich auf ihn, versuchte, seinen Arm zu fassen zu bekommen. Er kreischte und wich vor ihr zurück, hielt direkt auf die Brüstung zu. Sein Kopf und die Arme krachten über die Balustrade, verschwanden in der Dunkelheit. Seine Beine wurden nach oben gerissen. Das alles schien sehr langsam vonstattenzugehen, so langsam, dass Shezira nicht verstand, warum sie ihn nicht hatte retten können. Und dann war er fort. Er gab keinen einzigen Schrei von sich, aber Shezira hörte wenige Sekunden später den dumpfen Aufprall, als er am Boden aufschlug.
Menschen kamen in Hyrams Schlafgemach gerannt.
»Mörderin!«, rief eine weibliche Stimme. Es war Königin Zafir. »Sie hat meinen Mann ermordet!«
Zum ersten Mal seit vielen Jahren wusste Shezira nicht, was sie tun sollte. Sie stand wie festgefroren da und starrte über die Balustrade. Hinter ihr konnte sie hören, wie ihre Reiter sie zu verteidigen versuchten. Es waren jedoch nur zwei, und Zafirs Übermacht war erdrückend. Im nächsten Moment war alles vorbei.
Jehal schob die Seide von den Augen. Dann legte er sich wieder ins Bett, während Kazah ihm die Stiefel auszog. Der Prinz blickte voll tiefster Zufriedenheit zur Decke.
Ich gewinne .
69
Der
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