Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Entschädigung zahlen. Dafür werde ich sorgen.«
Endlich war sie fertig angekleidet. Sie scheuchte ihre Dienerschaft fort, marschierte aus dem Zimmer und in die Tiefen des Turms der Abenddämmerung. Mit Almiri dicht auf den Fersen rauschte sie die Treppe in die große Vorhalle hinab. Ein Dutzend Reiter befand sich bereits dort, einige von ihnen in voller Rüstung, andere noch in ihrem Nachtgewand, doch alle bewaffnet. Der Großteil von ihnen stemmte sich gegen die Flügeltüren, die ins Freie führten und mit einem mächtigen Balken verriegelt waren. Die Reiter schrien die Soldaten auf der anderen Seite an, die wiederum mit lautem Fluchen antworteten, sodass Almiri vor lauter Stimmengewirr kein einziges Wort verstand. Als die Königin das Ende der Treppe erreicht hatte, schnappte sie sich einen Speer und knallte ihn auf den Boden. »Öffnet die Tür!«, rief sie. »Lasst sie herein.«
»Mutter, geh nicht raus!« Almiri hätte Shezira am liebsten am Ärmel zurückgehalten, aber das hätte ihr nichts weiter als bittere Verachtung eingebracht.
Die Reiter verstummten. Shezira funkelte sie böse an. »Worauf wartet ihr?« Sie zeigte auf die beiden Ritter, die ihr am nächsten standen und es sogar geschafft hatten, ihre Rüstung anzulegen. »Ihr kommt mit mir. Der Rest …«
» Mutter !« Almiri kreischte nun fast. Es war ein Fehler, eine Königin anzuschreien, aber sie konnte sich nicht länger zurückhalten.
Shezira wirbelte zu ihr herum. »Königin Almiri ist unser Gast«, sagte sie laut und deutlich. »Sorgt dafür, dass die Adamantinische Garde das versteht. Und ich bin nicht König Valgar, sondern die Königin des Nordens, die Königin des Sandes und Steins, der hundertfünfzig Drachen den Rücken stärken. Sorgt dafür, dass sie auch das begreifen.« Sie warf sich ihren Umhang um und schritt zur Tür. »Warum ist die Tür immer noch geschlossen? Muss ich sie etwa selbst öffnen?«
Sie hätte den Balken eigenhändig entfernt, hätte ihn nicht einer ihrer Reiter hastig weggeschoben. Die Türen schwangen auf. Draußen erwarteten sie Dutzende Männer der Adamantinischen Garde, in voller Rüstung und mit gezücktem Stahl in Händen. Sie verstummten und wichen rasch zurück, als Shezira auf sie zumarschierte. Nach all dem tumultartigen Geschrei trat eine unheimliche Stille ein. Almiri sah ihrer Mutter nach, wie sie in die Düsternis der Nacht schritt. Tränen stachen ihr in die Augen.
Du begehst einen Fehler. Mutter, diesmal begehst du einen Fehler.
Sie behielt ihre Gedanken jedoch für sich, und während Shezira in der Dunkelheit verschwand, stahl sie sich lautlos davon.
67
Jostan
F ür eine geraume Weile, die sich unendlich lang anfühlte, war der Rauch schier unerträglich. Jaslyn saß in einer der Höhlen am Fluss, hatte ein nasses Stück Stoff vor den Mund gedrückt und versuchte, sich nicht zu Tode zu husten. Nicht zu husten war beinahe unmöglich, und sobald sie dem Drang nachgab, sog sie unausweichlich Unmengen an heißem Rauch in die Lungen, was alles noch hundert Mal schlimmer machte. Jostan saß neben ihr. Das erste Mal, als sie den Hustenreiz nicht unterdrücken konnte, hatte er ihr die Arme um die Rippen geschlungen und dann seine Lippen auf ihre gepresst. Jaslyn hatte sich gewehrt und ihn weggedrückt, in dem Irrglauben, er habe den Verstand verloren, doch er hatte sie gar nicht küssen wollen. Er blies Luft aus seinen Lungen in ihre und ließ die Prinzessin im nächsten Moment sofort wieder los. Seine Luft stank zwar ebenfalls nach Rauch, aber wenigstens war sie kühl und feucht, nicht beißend und trocken. Nachdem Jaslyn die Fassung zurückgewonnen hatte, kniete er sich demütig vor sie.
»Vergebt mir«, flüsterte er.
»Das könnte Euch den Kopf kosten«, keuchte sie. Doch der Hustenreiz war verschwunden, und außerdem war der einzige Mensch, der ihre Ehre verteidigen konnte, Semian, und auch der war verschollen.
Bei ihrem zweiten Hustenanfall tat Jostan genau dasselbe wie zuvor, und Jaslyn musste sich eingestehen, dass sie sogar seine Nähe genoss. Und anstatt sich gegen seinen Übergriff zur Wehr zu setzen, hätte sie ihn am liebsten näher zu sich herangezogen, um endlich jemanden zu haben, an dem sie sich festhalten konnte, sei es auch nur für die letzten Stunden ihres Lebens. Nach einem kurzen Moment schob sie den Reiter jedoch wieder weg, entschlossen, allerdings sanfter als das letzte Mal. Danach setzte sie alles daran, nicht mehr husten zu müssen. Zu guter Letzt lag sie
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