Der Drachenthron: Roman (German Edition)
aus.
Dort! Ein Funkeln, genau am Fuße des letzten Berges. Und wiederum durchfuhr sie ein köstlicher Schauder, als sei sie zwanzig Jahre jünger.
Glitzer nur schön , dachte sie im Stillen. Denn der Palast war ein Schatz, ein Symbol der Macht. Er war ein Ort, an dem Ehen verhandelt und Bündnisse geschlossen wurden, wo Könige und Königinnen ihren steinigen Weg zu Ruhm und Macht beschritten. Er war das Zentrum, das schlagende Herz der Reiche.
Darüber hinaus würde er ihr gehören. Bald.
Sie ließ ihr Gefolge in weiten Kreisen um das palasteigene Drachennest kreisen und wartete auf das Signal für ihre Landung. Sie hatte vergessen, wie weitläufig alles hier war.
»Gefällt dir der Palast?« Sie tätschelte Mistrals Hals.
Ein loderndes Feuer flammte unter ihr auf – ihre Landeerlaubnis. Shezira ließ Mistral im Sturzflug herabtauchen. Wie die meisten Drachen schien er das Gefühl zu lieben, wie ein Stein zwischen den Wolken hinabzufallen. Jedes Mal war sie überzeugt, er könnte die Distanz falsch einschätzen, und sie würde im nächsten Augenblick gegen den Fels krachen, doch wie immer, genau in dem Moment, wenn sie das Gesicht verzog und die Augen schloss, vernahm sie den Donnerschlag, sobald er die Flügel ausbreitete. Die Wucht presste ihr die Luft aus den Lungen und ließ die Erde erbeben. Sie liebte es.
Als sie von Mistrals Schultern glitt, war Hyram bereits gekommen, um sie zu begrüßen. Sein Zittern hatte im Laufe der Monate, in denen sie ihn nicht gesehen hatte, stark zugenommen.
»I-Ihr werdet eines T-Tages einen Unfall h-haben.«
Es kostete Shezira große Mühe, nicht zu grinsen, doch die Arbeit einer Königin war eine ernste Angelegenheit, und es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, ausgelassene Freude zu zeigen. Zumindest in der Öffentlichkeit. Sie verbeugte sich. Hyram streckte ihr eine zittrige Hand entgegen, und Shezira küsste den Ring an seinem Mittelfinger. Ihr Ring, bald.
»Sprecher Hyram. Es ist schön, wieder in Eurer Gegenwart zu sein.«
Er nickte kurz und winkte ungeduldig seine Diener herbei. Schweigend gingen er und Shezira aus dem Drachennest, und seine Dienerschaft folgte. Von ihren Lippen ergossen sich die köstlichsten Worte, beschrieben der Königin die wundervollsten Genüsse für Leib und Seele, die sie erwarteten, doch Shezira vernahm sie kaum. Hyram sollte mir diese Dinge sagen, nicht seine Höflinge. Ist seine Krankheit derart fortgeschritten, dass sie ihn seiner Stimme beraubt hat? Wie lange wird es noch dauern, bis er nicht einmal mehr laufen kann?
Kutschen erwarteten sie, um sie zum Palast zu fahren. Dann mussten sie auf Jaslyn, Lystra, Lady Nastria und die anderen Reiter warten, die Shezira mitgebracht hatte, und darauf folgten endlose Rituale und Zeremonien und schließlich das obligatorische Festmahl zu Ehren der Gäste, wobei nichts davon Shezira auch nur im Geringsten interessierte. Wenigstens hatte sich Hyram bemüht. Winzige, unwirklich anmutende Lampions schmückten den riesigen Audienzsaal. Hunderte, wenn nicht gar Tausende von ihnen waren wie kleine Glühwürmchen auf Schnüre gereiht, und unzählige weitere prangten wie Sterne am Deckengewölbe, sodass es den Anschein hatte, als feierten sie unter freiem Himmel. Überlebensgroße Statuen umringten sie, schweigsame Wächter, in Granit gemeißelt. Alle Sprecher, die jemals über die Reiche geherrscht hatten, sahen auf sie herab. Über ihnen streckten marmorne Drachen die Köpfe aus den Wänden, starrten missmutig und grüblerisch zu ihnen herunter. Kleine Lampions waren in ihren Mäulern versteckt, um sie von innen heraus zu erleuchten. Als die Gäste eintraten, verklangen ihre Gespräche zu einem leisen Flüstern oder erstarben gänzlich, derart eingeschüchtert waren sie von der prunkvollen Halle des Sprechers. Dann begann das Fest, der Lärm schwoll wieder an, und der Saal füllte sich mit hin und her huschenden Dienern, die Weinkelche, Servierplatten mit geröstetem Fleisch, riesigen Pasteten und glasierten Kuchen in Form von Drachen und Menschen auf den Händen balancierten.
Nun ja, er hatte sich angemessen bemüht.
Die ganze Zeit saß oder stand Shezira neben Hyram, und dennoch konnte sie nicht mit ihm sprechen. Oder zumindest nicht über die Dinge, die ihr auf dem Herzen lagen. Am Ende des Fests, als Hyram sich erhob und verkündete, er werde sich nun zurückziehen, blickte She zira ihm nach und schlüpfte dann aus dem Saal, um ihm zu folgen. Der Hyram aus ihrer Erinnerung war nach einem
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