Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Alchemisten obliegt die uralte Pflicht, die Drachen in Schach zu halten. Selbst ein einziger Drache, der sein wahres Potenzial ausschöpfen darf, stellt eine Bedrohung für jeden König und jede Königin der Reiche dar. Ich sehe mich gezwungen, den Sprecher zu benachrichtigen.«
»Großmeister, worauf wollt Ihr hinaus? Falls der Drache tatsächlich ausgebüxt sein sollte, so verfüge ich über Nester mit unzähligen weiteren Drachen, die ihn zur Strecke bringen können. Insgesamt gibt es in allen Reichen mehr als siebzehnhundert Tiere. Das wisst Ihr doch ganz genau. Wie könnte ein einziger ungezähmter Drache eine solche Bedrohung für die Reiche darstellen?«
Bellepheros verneigte sich erneut. »Ich will darauf hinaus, Eure Heiligkeit, dass mein Orden zu Eurer Verfügung steht, um Euch in jeder nur erdenklichen Weise zu helfen, und dass ich in Kürze zum Adamantpalast zurückkehren werde. Da ich jedoch gezwungen bin, auf dem Landweg zu reisen, werde ich erst mit einiger Verzögerung ankommen.«
Königin Shezira nickte. »Euer Angebot in Ehren, Großmeister. Ich versichere Euch, bereits eine eingehende Suche in die Wege geleitet zu haben. Ich werde meine Weiße finden, und wenn es so weit ist – und ich den Schuldigen habe, der sie gestohlen hat -, wird Blut fließen. Guten Tag.«
Die Königin entschwand. Bellepheros wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nach dem Verlauf dieses Gesprächs, dachte er, konnte er gleich mal darüber nachdenken, wen sie als seinen Nachfolger bestimmen würde. Erst nach einigen Sekunden bemerkte er, dass Lady Nastria ihrer Königin nicht gefolgt war.
Sie beugte sich vor und flüsterte ihm leise ins Ohr: »Großmeister. Wenn ich kurz unter vier Augen mit Euch sprechen dürfte?«
Er verließ Furia am folgenden Morgen in einer Kutsche, die Prinz Jehal zur Verfügung gestellt hatte und die von einer ganzen Kompanie Soldaten eskortiert wurde. Die anderen Alchemisten im Klippennest mussten sich ihre Rückreise zum Adamantpalast selbst organisieren. Unter seinem Sitz, behutsam in Stroh gebettet, befand sich ein bäuchiges Glasfläschchen, das mit einem Korken verschlossen und mit Wachs versiegelt war. Es lag gut in der Hand, und aufgrund des Gewichts, das sich je nach Lage veränderte, schien es mit einer Art Flüssigkeit gefüllt zu sein. Einer sehr schweren Flüssigkeit. Im Gegensatz zum Feldmarschall wusste Bellepheros ganz genau, worum es sich da handelte. Allerdings wusste er nicht, woher es stammte oder wie mehrere dieser Flakons in den Besitz von Sheziras Feldmarschall gekommen sein mochten. Es war jedoch eine lange Heimfahrt, mit viel Zeit zum Nachdenken und unzähligen Gasthäusern mit Wein, die ihm bei dieser Aufgabe helfen würden.
Doch dazu kam es erst gar nicht. Zwei Tage, nachdem er Furia verlassen hatte, wurde seine Kutsche aufgehalten. Maskierte Männer mit Messern rissen die Tür auf. Blut glitzerte auf ihren Klingen. Bellepheros sah Leichen draußen auf dem Erdboden liegen. Er öffnete den Mund, aber bevor er nach Hilfe schreien konnte, krallte sich eine Hand in sein Gesicht.
18
Der Preis
Z weimal am Tag wurde die Tür zu ihrer Hütte aufgerissen, und ein halbes Dutzend Outsider, bewaffnet mit Speeren und Messern, versammelte sich draußen. Einer von ihnen setzte dann sehr vorsichtig einen Eimer Wasser auf den Boden, zusammen mit etwas getrocknetem Fisch und angefaultem Obst. Am ersten Tag erklärte ihnen Sollos, dass in sechs Tagen die Drachenreiter zurückkämen. Jeden Morgen erinnerte er sie, dass sie nun einen Tag weniger Zeit hatten, um sie freizulassen. Doch erst, als ihnen nur noch zwei Tage blieben, kamen die Outsider zu einer Entscheidung. Mitten am Tag öffnete sich erneut die Tür, und dieses Mal waren fast zwanzig von ihnen erschienen. Einer trat vor, ein stämmiger Mann mittleren Alters mit einem dichten, gelockten schwarzen Bart.
»Was wollt ihr?«
»Etwas zu essen wäre toll, bei dem ich nicht sofort Dünnpfiff bekomme«, murmelte Kemir. Sollos brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Schweigen.
»Erst einmal möchten wir euch für eure Gastfreundschaft danken.« Sollos lächelte. »Außerdem hätte ich gerne meinen Bogen und meine Messer und meine Rüstung zurück. Und dann würde ich gerne erfahren, was ihr über den weißen Drachen wisst.«
»Und was dann?«
»Wir finden den Drachen, verschwinden und lassen euch in Ruhe.«
»Seit eurer Ankunft haben wir jeden Tag Drachen gesehen.« Der Lockenbart sah müde aus. Er hatte
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