Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Morgenfest hinter sich gebracht. Nun gab es die Geschenke, und anschließend würden alle bis zum Abend Däumchen drehen. Es würde ein weiteres Fest folgen, das Abenddämmerungsritual, bis der demütigende Teil kam, bei dem sie vor die versammelte Hochzeitsgesellschaft gezerrt und splitter – fasernackt ausgezogen wurden. Weshalb nur? Aus Rache, weil die anderen den ganzen lieben, langen Tag blöde he – rumgestanden sind und sich zu Tode gelangweilt haben?
Schließlich, nachdem die Ehe vollzogen und die ganze Sache vorüber war, müssten sich die beiden nie wieder eines Blickes würdigen, falls sie das wünschten. Vielleicht war das alles tatsächlich eine Prüfung. Eine Warnung für das, was folgen würde? Eine Art Belastungsprobe?
Jemand ließ zwei Pferde vor ihm auf und ab stolzieren. Nun ja, streng genommen ließ man sie vor König Tyan auf und ab stolzieren, der sabbernd und schnarchend auf seinem Thron neben Jehal saß. Trotz allem war immer noch er der König. Jehal lächelte. Es waren prachtvolle Tiere, vollkommen weiß, mit einem Zaumzeug aus Gold und Silber. Ein Hengst und eine Stute. Jehal unterdrückte ein Gähnen.
»Sehr schön«, sagte er. »Sie werden die besten Tiere in meinen Stallungen sein. Richtet …« Oh, das war ein Problem! Er hatte seine Gedanken derart schweifen lassen, dass er überhaupt nicht mitbekommen hatte, von wem das Geschenk stammte, und jetzt würde er blöd dastehen und gleichzeitig jemanden beleidigen. »Ich bin ganz erschlagen vor Bewunderung. Bringt sie näher heran.« Er blickte sich, in der Hoffnung auf brauchbare Hinweise, verstohlen um. Pferde. Wer mag Pferde? Die Menschen verschenken immer das, was sie selbst gerne bekommen würden.
»König Valgar ist zu gütig«, sagte Prinzessin Lystra leise. Zum ersten Mal seit Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten lächelte sie nicht. »Sie sollten zum Drachen passen. Um uns zu deinem Nest und wieder zurück zu kutschieren.«
Sie nimmt demnach an, dass ich es weiß. Sie weiß jedoch nicht, dass ihre Mutter mir nichts erzählt hat. Daraus könnte er sich ebenfalls einen Spaß machen.
»König Valgar ist wirklich zu gütig.« Mit einem Lächeln auf den Lippen winkte er die Pferde fort. Valgar war nicht anwesend, also war es unnötig, kostbare Zeit darauf zu verwenden, seine Geschenke in höchsten Tönen zu loben. »Richtet König Valgar aus, dass es die prächtigsten Pferde in meinem Reich sind und dass Prinzessin Lystra und ich das ganze nächste Jahr auf dem Weg zum Klippennest und wieder zurück auf ihnen reiten werden, als Zeichen unserer Dankbarkeit für sein großzügiges Geschenk.« Er beugte sich zu Prinzessin Lystra. »Ist der Drache von einem ebenso strahlenden Weiß?«
Sie wandte sich erschrocken zu ihm um. Ein köstlich entsetzter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. »Du weißt es nicht?«
»Was weiß ich nicht?« Er lächelte erneut sein engelsgleiches Unschuldslächeln, während seine Gattin sichtbar von Panik ergriffen wurde.
Lystra drehte sich zu ihrer Mutter um, die auf der anderen Seite saß, und begann im Flüsterton auf sie einzureden.
Jehal tippte Lystra auf den Handrücken. »Tut mir leid, meintest du den Diebstahl eures weißen Drachen? Das weiß ich natürlich. Eine furchtbare Sache. Aber nicht weiter schlimm, oder?« Sie zitterte, war völlig fassungslos, einem Kaninchen gleich, das dem Bauern in die Falle getappt war. Jehals Lächeln war ungebrochen, warm und gewinnend. Er warf ihr von Zeit zu Zeit einen raschen Blick zu und versicherte sich, dass sie ihn ebenfalls ansah. Eine furchtbare Sache? Das war noch gelinde ausgedrückt. Aber nicht weiter schlimm, oder? Natürlich war es schlimm, und wie! Jeder, der auch nur im Geringsten etwas mit dem Diebstahl zu tun hatte, würde sterben. Mit etwas Glück würde ein echter Krieg ausbrechen. Im Adamantpalast würden Gerichtsverhandlungen und Tribunale stattfinden. Wie leicht könnte ein ganzes Reich zugrunde gehen! Nun, zumindest das wäre mal eine hübsche Abwechslung.
Doch aus irgendeinem ihm unerfindlichen Grund empfand er beim Quälen von Prinzessin Lystra nicht die Art von Befriedigung, die es ihm eigentlich hätte bereiten sollen. Lystra sah immer noch blass und besorgt aus, als die Drachen ihrer Mutter schließlich auf das Feld geflogen kamen und Jehal aufstand, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Er wählte rasch einen aus, ließ etwas Nettes über das Tier fallen und winkte den Rest fort. Es war ihm gelungen, dass sich seine Braut in ihrem Sitz
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